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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Über einige Antiken Ghibertis
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0165
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Über einige Antiken Ghibertis.

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trotz aller liebevollen Versenkung, eifrigen Sammeins, trotz aller theoretischen und historischen Be-
schäftigung mit der alten Kunst. Man kann nicht einmal sagen, daß Ghiberti die Antike nachahmt;
er nähert sie sich an, wie es seinem eigentümlichen historisch gegebenen Künstlertum entspricht, nicht
in penibelm Detailstudium sondern aus einer allgemein, allerdings höchst reichen und nuancierten
Gesamtbilde seiner Phantasie. Und von da führt wohl noch manche Brücke zu der Auffassungsweise
eines reinen Gotikers gleich Villard. Aber Ghiberti eignet sich das Antikische nicht mehr äußerlich,
phantastisch zu,sondern als eine innere Erfahrung. Und das scheidet ihm vom Mittelalter. Es ist nicht
der nationale Stolz, nicht die antiquarische Begeisterung des literarischen Laien, wenn dergleichen auch
immerhin mitspielen mag, sondern vor allem das lebhafte Gefühl unmittelbarer Verwandtschaft, das
den Künstler in der Antike etwas überaus Wertvolles entdecken läßt, deshalb, weil er sich auf dem
gleichen und rechten Wege fühlt. Und das scheint die eigentliche Bedeutung und Wirkung der An-
tike bei den Männern der italienischen, vor allem der florentinischen Frührenaissance zu sein. Ein
alter spanischer Kunstrichter, Sebastian Fox Morcillo von Sevilla, hat zu einer Zeit des strengen
Klassizismus, um die Mitte des XVI. Jahrhunderts, als die Frage der Nachahmung antiker (literarischer)
Vorbilder lebhaft erörtert wurde, den eigentlichen Sinn der Bildung an und nach einem Vorbild der
Vergangenheit trefflich erläutert. Was er sagt, dürfte auf das Vorhergehende wohl anzuwenden sein
und so sei es erlaubt, seine Worte als bekräftigenden Schluß hieher zu setzen: «Nachahmung kann
nichts anderes sein, als den Geist, Art und Sinnesweise des Autors, den man schätzt, sich anzu-
eignen . . . Die Nachahmung liegt weder in den Worten noch in den Formen der Rede sondern
in einer gewissen Verwandtschaft der Naturanlage (in naturae similitudine), die leichter ge-
fühlt als in Worten ausgedrückt werden kann. Wenn wir sehen, daß es jemandem leicht und
gemäß ist, einem anderen nachzufolgen, so handelt es sich gewiß um eine mehr oder weniger offen-
bare Ähnlichkeit der geistigen Anlage. Sowie es absurd wäre, alle Schuhe über den gleichen Leisten
zu schlagen, so ist es absurd, ein und dieselbe Form als Muster der Nachahmung für jeden aufzustellen,
gleich als wenn alle Geistesbeschaffenheiten die nämlichen wären. Daraus folgt, daß es ebensowenig
eine allgemein zutreffende, unbedingte Stillehre geben kann und daß alles von der Praxis, von der
Beobachtung und dem Maße der Übung abhängt. Die erste und wesentlichste aller Regeln wird
jedoch immer die sein, daß man dem Autor, dem man nachstrebt, i n irgend einer Weise innerlich
verwandt sein müsse.» 1

1 Die bedeutende Stelle findet sich in Fox Morcillos 1544 zu Antwerpen gedrucktem Dialog: «De Imitatione, seu de
informandi styli ratione.» Ich citiere nach dem reichhaltigen Werke von D. Menendez y Pelayo, Historia de las ideas este'ticas
en Espana, Madrid 1896, vol. III, p. 23yf.
 
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