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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Dvořák, Max: Das Rätsel der Kunst der Brüder van Eyck
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0188
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Max Dvofäk.

auch in der Beleuchtung der einzelnen Teile des Bildes sind entweder ganz verschwunden oder doch
viel geringer geworden und, was noch viel bedeutsamer ist, die Darstellung der Gegenstände
unter dem Einflüsse einer bestimmten Beleuchtung und die des Raumes unter dem
Einflüsse der Luftperspektive entspringt nicht mehr vereinzelten Beobachtungen

sondern bildet sowohl als das
wichtigste räum- und form-
schaffende Ausdrucksmittel
als auch alsderwichtigsteund
eigentlichste Inhalt des male-
rischen Problems den Aus-
gangspunkt und die Grund-
lage der ganzen malerischen
Gestaltung. Die Kompositionen
sind wohl einfach geworden, aber
die Modellierung der Figuren ist
ebenso konsequent und einheitlich
als der räumlichen Stellung ent-
sprechend. Ebenso einheitlich ist
der Raum gemalt, in welchem sich
der dargestellte Vorgang abspielt.
Der Maler ist bestrebt, die Raum-
vertiefung kontinuierlich anzudeu-
ten. Nicht sprunghaft wie bis-
her sondern im langsamen Uber-
gange verändert sich mit der Ent-
fernung die Deutlichkeit und die
Farbe der Objekte. Die Innen-
räume sind unansehnlicher, die
Landschaften oft fast primitiv,
dafür jedoch in einem natürliche-
ren Verhältnisse zu den Figuren
und in allen Teilen gleich die
Raumillusion erweckend. Wäh-
rend wir bei den älteren Meistern
noch immer die Szene und die
Landschaft gesehen haben, gibt es
von nun an nur eins mehr, die
Landschaft mit der darin sich ab-
spielenden Szene. Die Malerei
ist in dieser Zeit und für
alle Zukunft Raummalerei
geworden.

So leiten neue Werte den

Künstler, neue Vorzüge sollen den Beschauer fesseln. Wie der reiche Mann im Evangelium, mußte
die Kunst arm werden, um dauerndere Güter zu erobern. Der stoffliche Prunk konnte leicht aufge-
geben werden, weil in einer neuen malerischen Wahrheit neuer malerischer Reichtum gefunden wurde.
Diese neue malerische Wahrheit lautet: es genügt nicht, die einzelnen Gegenstände oder Begeben-
heiten sachlich genau und naturtreu darzustellen, wie es die vorangehende Kunst so unübertrefflich
vermochte, sondern sie müssen auch naturtreu und wahrheitsgemäß in ihrer Relation zu dem sie um-

Fig. 2.

Petrus Kristus, Der heil. Antonius mit dem Stifter.
Kopenhagen, kgl. Gemäldegalerie.
 
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