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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Dvořák, Max: Das Rätsel der Kunst der Brüder van Eyck
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0247
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Das Rätsel der Kunst der Brüder van Eyck.

24I

und die wir hier wiederholen könnten. Daß das
Turiner Exemplar nicht das Original ist, dürfte
noch deutlicher sein.1 Von den Eigentümlich-
keiten der eigenhändigen Werke Jans besitzt das
Bild auch nicht die geringste Spur mehr. Der
aus Platten und Würfeln bestehende Felsen,
die runden Bäume im Mittelplane, deren Laub-
werk wie an den Bildern des Petrus Kristus durch
ganz kleine Punkte gemalt ist, die spitzigen Fel-
sen im Hintergrunde mit Büschen auf den Spitzen,
wie sie Bouts anwendet, die willkürliche Häu-
fung der Falten, die groben Hände, die Augen
des Franziskus, deren Unterlid wie bei Petrus
Kristus oder Ouvater nur ganz wenig, das Ober-
lid sehr stark gebogen ist: das sind alles Eigen-
tümlichkeiten, nach welchen die Entstehung des
Bildes in das dritte Viertel des Jahrhunderts ver-
legt werden muß. Das Original Jans mag darin
weder ganz treu noch ganz frei wiederholt sein.
Die Figuren erinnern in mancher Beziehung an
Ouvater, die Landschaft an Bouts und so dürfte der
Kopist in der Nähe dieser Maler zu suchen sein.

5, 6. Die Madonna mit dem Kartäu-
ser in der Sammlung Rothschild und die
Bourleigh-House-Madonna in Berlin. Die
Madonna Rothschild könnte man nur dann für
ein Werk Huberts erklären, wenn man auch die
Madonna des Kanzlers Rolin ihm zuschreiben
wollte; daß jedoch diese ein Werk Jans ist, steht,
wie wir bereits sagten, außerhalb jeder Dis-
kussion, und daß sie mit der Kunst Huberts in
keiner Beziehung mehr etwas zu tun hat, geht
aus allen bisherigen Ergebnissen unserer Unter-
suchung unzweifelhaft hervor. Beide Bilder sind
zwei verschiedene, doch mit denselben male-
rischen Mitteln ausgeführte Fassungen einer und
derselben Idee und stimmen gegenständlich und
stilistisch so überein, wie man es «im ganzen
Bereich der niederländischen Kunst bei verschie-
denen Meistern nie findet» (Tschudi). Fraglich
könnte nur sein, ob nicht das Rothschild'sche
Bild als eine Nachahmung der Louvre-Madonna
betrachtet werden muß, wie von Kaemmerer be-
hauptet wurde, der das Bild für ein Werk des

Petrus Kristus erklärte. Es weist zweifellos Mängel auf, die mit der Meisterschaft Jans unvereinbar zu
sein scheinen, wie z. B. den hölzernen Körper des Christuskindes und die auffallend leeren Köpfe der

Fig. 34. Petrus Kristus, Verkündigung und Geburt Christi.
Berlin, königl. Gemäldegalerie.

1 Das Exemplar in der Sammlung des Herrn John G. Johnson in New-York, von dem ich eine Photographie der
freundlichen Vermittlung Herrn Berensons verdanke, ist eine Wiederholung des Turiner Bildes aus dem XVI. Jahrhunderte.
XXIV. 34
 
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