Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Dvořák, Max: Das Rätsel der Kunst der Brüder van Eyck
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0251
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Das Rätsel der Kunst der Brüder van Eyck.

245

So liegt es viel näher, den Ursprung dieser Architektur dort zu suchen, wo ihre Art und Motive
zu Hause gewesen sind. Man kann einem gleichzeitigen spanischen Maler wohl zumuten, was bei Jan
als ausgeschlossen betrachtet werden muß. Die feine Empfindung für architektonische Werke und die
auf ihnen beruhenden stilistischen Gesetze, wie sie die Werke Jans auszeichnet, konnte nicht so leicht
nachgeahmt werden wie bestimmte Typen und
Formen.

Dazu kommt noch, was man bisher über-
sehen hat, daß das Madrider Bild nur teilweise
der Beschreibung des Poncz entspricht. Ganz
scheint nur die Gruppe der Juden mit dem Bilde
zu Palencia übereinzustimmen, die gegenüber
gemalte Gruppe deutet Poncz schon als «Doctores
de la Iglesia Grega y Latina», wogegen in dem
Pradobilde die Vertreter der verschiedenen Stände
des Christentums dargestellt sind. Das könnte
man immerhin durch einen Irrtum erklären.
Auch die Angabe, daß oberhalb dieser Gruppen
die Dreifaltigkeit dargestellt sei, wogegen auf
dem Madrider Lebensbrunnen nur Gott Vater
und das Lamm zu finden sind, oder daß zur
Rechten Gottes Johannes der Täufer sitze, wo-
gegen wir auf dem Bilde den Evangelisten fin-
den, könnte man als eine Verwechslung oder
schlechte Erinnerung auffassen. Kaum ist dies
aber der F"all mit der Nachricht, daß zu beiden
Seiten der heil. Dreifaltigkeit auch die Apostel
«y otras figuras> gemalt seien. Stimmt aber das
Bild mit der Beschreibung nicht überein, so ent-
fällt vollends jeder Grund, es für eine treue
Kopie eines Eyck'schen Originals zu halten.

Es kann jedoch auch über die Entstehungs-
zeit der Tafel kein Zweifel sein. Die richtige
Spur scheint uns bereits Kaemmerer gefunden zu
haben, der das Bild vermutungsweise Petrus Kri-
stus zugewiesen hat. Von Petrus Kristus selbst
ist es sicher nicht, weder die Komposition noch
die Formengebung entspricht seiner Eigenart;
doch weist das Bild Züge auf, welche an seinen
Stil erinnern. Die Köpfe der Madonna und des Fig. 35. Luis Dalmau, Der Brunnen des Lebens.

Johannes gemahnen an seine Typen und auch Madrid, Pradomuseum (Ausschnitt),

die Engel stehen seinen Figuren näher als den

Schöpfungen Jans. Auch die scharfe Licht- und Schattentrennung, die nachlässige, gar nicht mehr
ins Detail eingehende Malweise, der Verzicht auf Prunk und Glanz stellen Beziehungen zu der auf
Jan folgenden Generation her. Das Hieronymitenkloster zu Parral, aus welchem das Bild stammt,
wurde im Jahre 1447 gegründet und im Jahre 1459 eingeweiht und da die dem Formate des
Bildes entsprechende Mauernische, in der die Tafel gehangen hat, bereits beim Baue entstanden ist,
so dürfte es doch am wahrscheinlichsten sein, daß das Bild nicht nur in dieser Zeit in das Kloster
gekommen ist sondern auch für dasselbe gemalt wurde, was auch durch seinen Stilcharakter bekräf-
tigt wird.
 
Annotationen