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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Dvořák, Max: Das Rätsel der Kunst der Brüder van Eyck
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0275
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Das Rätsel der Kunst der Brüder van Eyck.

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können wir auch bei anderen Werken unserer Gruppe machen. Der Louvre bewahrt eine Serie von
Zeichnungen mit Darstellungen einzelner Heiligenfiguren, die auf den ersten Blick als nordfran-
zösische Arbeiten aus dem letzten Viertel des XIV. Jahrhunderts zu erkennen sind und mit den zuletzt
besprochenen Malereien enge zusammenhängen. Es gibt wenig Darstellungen, die an Schärfe einer
großzügigen Charakteristik den Köpfen dieser Heiligenfiguren zu vergleichen wären, die uns an Jugend-
werke Donatellos oder Statuen
Quercias erinnern und denen
gegenüber der gotische Schwung
der dazugehörigen Körper fast
wie ein Anachronismus erschei-
nen könnte.

Wenn wir nun kurz zu-
sammenfassen, was uns eine allge-
meine Betrachtung der Entwick-
lung der nordfranzösischen Male-
rei in den letzten vierzig Jahren*
des XIV. Jahrhunderts gelehrt hat,
kommen wir zu folgendem Ergeb-
nisse: In der ersten Hälfte dieser
Periode vermischt sich der ältere
französische Stil mit einzelnen ita-
lienischen Motiven, in der zweiten
Hälfte übernehmen nordfranzö-
sische Maler den Stil und die
malerischen Probleme der giottes-
ken Malerei ganz, um sie jedoch
gleich französisch zu machen, das
heißt sie mit Stileigentümlichkeiten
der älteren französischen Schule
auszugestalten. Diese Ausgestal-
tung bedeutet jedoch zugleich
den italienischen Vorbildern
gegenüber einen größeren Na-
turalismus der Formendar-
stellung.

Jetzt wollen wir aber unsere
Betrachtung unterbrechen und uns
fragen, wie man die beiden fest-
gestellten Tatsachen: die Italiani-
sierung der nordfranzösischen Ma-
lerei und die Umsetzung des
^entlehnten italienischen Stiles in

einzelne neue naturalistische Beobachtungen entwicklungsgeschichtlich zu erklären hat. Wie verhalten
sich die beiden Erscheinungen zu der angeblichen Wandlung vom Idealismus zum Naturalismus? Ist
der italianisierte Stil der französischen Malerei noch immer idealistisch oder ist der französisch um-
gemodelte Stil der Italiener bereits naturalistisch?

Um diese Fragen beantworten zu können, müssen wir noch einmal auf die Zeit Karls V. und die
vorangehende Periode zurückblicken. Von einem Hofkünstler Karls V. besitzen wir gesicherte Werke.
Es ist dies Andre Beauneveu aus Valencienne, Maler und Bildhauer. Im Jahre 1364 übertrug ihm

Fig. 40. Jaquemart de Hesdin, Titelminiatur des Gebetbuches des Herzogs

von Berry.

Ms. 11.060 der königl. Bibliothek in Brüssel.
 
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