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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Dvořák, Max: Das Rätsel der Kunst der Brüder van Eyck
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0319
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Das Rätsel der Kunst der Brüder van Eyck.

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angewendet gefunden haben, zu einem einheitlichen Stile — zu dem neuen Stile ver-
einigt.

Man könnte allerdings einwenden, daß der Maler dieser Miniaturen bereits unter dem Einflüsse
Jans stehen könnte, was ja vielleicht chronologisch möglich wäre. Doch es scheint mir das nicht der
Fall zu sein, hauptsächlich deshalb, weil wir von auffallenden und von allen Nachahmern Jans über-
nommenen Eigentümlichkeiten seines Stiles nichts an den Turiner Miniaturen beobachten können. Es
fehlt jede Spur sowohl von der reichen
und für ihn charakteristischen Gewand-
behandlung als auch von den Besonder-
heiten seiner Typen und so müßten wir
annehmen, daß der Nachahmer sorgfältig
nur die allgemeinen stilistischen Grund-
lagen seinem Vorbilde entlehnt, jede An-
lehnung an den individuellen Stil des
Meisters aber sorgfältig gemieden hätte,
was kaum wahrscheinlich ist. Anderen-
teils stehen diese Miniaturen der älteren
französischen Kunst ebenso nahe als den
Werken Jans, so daß an der Provenienz
ihres Stiles gar nicht gezweifelt werden
kann. Man braucht nur den Reiterzug
der Turiner Handschrift mit der Jagd-
kavalkade in dem Gebetbuche von Chan-
tilly oder die Burgen in dieser Handschrift
mit dem Stadtbilde in der Legende des
heil. Julianus in dem Turiner Kodex zu
vergleichen, um sich zu überzeugen, wie
organisch die Kunst der Illuminatoren
am Haager Hofe mit der Kunst der Illu-
minatoren des Herzogs von Berry zu-
sammenhängt, eine neue Stufe in einer
Entwicklung bildend, die sich, wie wir
gesehen haben, von dem Werke der Brü-
der von Limburg bis zu den Anfängen der
gotischen Kunst zurückverfolgen läßt.
Das ganze malerische System, die Natur-
auffassung, der Stil und besonders auch
die malerische Technik der Turiner Miniaturen schließt sich jenen älteren Werken und jener älteren
Entwicklung so enge an wie etwa die frühen Bilder Bellinis den Werken Mantegnas und der ganzen
vorangehenden Entwicklung der italienischen Malerei.

Aus demselben Kunstkreise wie die Turiner Miniaturen dürfte das Bildnis der Tochter Wilhelms IV.,
Jakobäa von Bayern stammen, von dem sich eine spätere Kopie in Kopenhagen erhalten hat und
welches man ohne Grund für ein Werk Jans erklärte, mit dessen Bildnissen es nichts Gemeinsames
hat als allgemeine Ubereinstimmungen, die durch einen zeitlichen Zusammenhang zu erklären sind.
Die allernächste Verwandtschaft besteht dagegen zwischen diesem Frauenbildnis und den Frauen-
köpfen der Turiner Madonnenminiatur, eine Verwandtschaft, die kaum zufällig sein kann. Ein
Vergleich mit den früher besprochenen französischen Bildnissen aus dem Anfang des XV. Jahr-
hunderts lehrt uns, daß auch das Porträt der abenteuerlichen Prinzessin einen schlagenden Beleg
bildet für den engen stilistischen Zusammenhang und die absolute genetische Verknüpfung der

Fig. 63. Unbekannter Meister, Jakobäa von Bayern.
Kopenhagen, Nationalgalerie.
 
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