Fig. I. Skizze Annibale Carraccis zu dem Bild: Christus mit Heiligen im Palazzo Pitti.
Lille.
ANNIBALE CARRACCIS GALERIE IM PALAZZO FARNESE
UND SEINE RÖMISCHE WERKSTÄTTE.
Von
Hans Tietze.
ie eigentümliche Stellung, die die Kunstgeschichte der italienischen Malerei des
XVII. Jahrhunderts gegenüber einnimmt, macht es notwendig, diesem Versuch,
einem der Hauptwerke jener Zeit gerecht zu werden, einige einleitende Worte
vorauszusenden. Diese sollen nicht Entschuldigungsgründe vorbringen, daß hier
ein verpöntes Gebiet betreten wird; denn die Notwendigkeit seiner historischen
Durchforschung ist eine längst und dringend empfundene. Sie haben aber auch
nicht den Zweck, dem Barocco ein Loblied zu singen, und nicht die Anmaßung,
Künstler vom Range der Carracci «retten» zu wollen. Das Verhältnis einer Zeit zur Kunst vergangener
Perioden unterliegt einer gesetzmäßigen Entwicklung, deren Verlauf kein einzelner fördern oder hem-
men könnte; es handelt sich also nicht darum, irgend jemandem die Carracci — oder das Barocco im
allgemeinen — zu oktroyieren, sondern nur darum, all das, was unsere Zeit von den Kunstabsichten
jener Periode zu würdigen imstande ist, hervorzuheben; es ist dessen viel und wird von Tag zu Tag
mehr. Auf jeden Fall aber ist es Pflicht, das Material nach Kräften für eine Zukunft bereitzustellen,
die in diesem Punkte wieder mehr mit den Augen Goethes sehen wird, dessen Angedenken uns hin-
dern möchte, allzuhart über jene Zeit zu urteilen, weil sie unseren heutigen künstlerischen Bedürfnissen
nicht völlig entspricht.
xxvi. 7
Lille.
ANNIBALE CARRACCIS GALERIE IM PALAZZO FARNESE
UND SEINE RÖMISCHE WERKSTÄTTE.
Von
Hans Tietze.
ie eigentümliche Stellung, die die Kunstgeschichte der italienischen Malerei des
XVII. Jahrhunderts gegenüber einnimmt, macht es notwendig, diesem Versuch,
einem der Hauptwerke jener Zeit gerecht zu werden, einige einleitende Worte
vorauszusenden. Diese sollen nicht Entschuldigungsgründe vorbringen, daß hier
ein verpöntes Gebiet betreten wird; denn die Notwendigkeit seiner historischen
Durchforschung ist eine längst und dringend empfundene. Sie haben aber auch
nicht den Zweck, dem Barocco ein Loblied zu singen, und nicht die Anmaßung,
Künstler vom Range der Carracci «retten» zu wollen. Das Verhältnis einer Zeit zur Kunst vergangener
Perioden unterliegt einer gesetzmäßigen Entwicklung, deren Verlauf kein einzelner fördern oder hem-
men könnte; es handelt sich also nicht darum, irgend jemandem die Carracci — oder das Barocco im
allgemeinen — zu oktroyieren, sondern nur darum, all das, was unsere Zeit von den Kunstabsichten
jener Periode zu würdigen imstande ist, hervorzuheben; es ist dessen viel und wird von Tag zu Tag
mehr. Auf jeden Fall aber ist es Pflicht, das Material nach Kräften für eine Zukunft bereitzustellen,
die in diesem Punkte wieder mehr mit den Augen Goethes sehen wird, dessen Angedenken uns hin-
dern möchte, allzuhart über jene Zeit zu urteilen, weil sie unseren heutigen künstlerischen Bedürfnissen
nicht völlig entspricht.
xxvi. 7