Annibale Carraccis Galerie im Palazzo Farnese und seine römische Werksiätte.
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Fig. 2. Annibale und Agostino Carracci: Fries im Palazzo Magnani.
Bologna.
Das XVI. Jahrhundert ist ein bedeutungsvolles in der Geschichte Roms; denn damals machte die
ewige Stadt noch einmal eine Wandlung durch, die ihre Stellung in der Welt völlig veränderte. Nicht
in ruhiger Entwicklung vollzog sich diese Umwandlung: das Jahrhundert, das den furchtbarsten Frevler
und den letzten Heiligen, Alexander VI. und Pius V., auf dem päpstlichen Stuhle sah, war voll wilder
Kämpfe und schrecklicher Katastrophen. Die fürchterlichste von allen, der Sacco di Roma, die tiefste
Demütigung, die Rom erfahren konnte, ist zugleich das Zeichen der Umkehr, der Beginn einer neuen
Glanzzeit; denn Rom, das eine Provinzstadt gewesen war, besinnt sich seiner Bestimmung, die Haupt-
stadt der Welt zu sein. Den endgültigen Abschluß der Tendenzen, Rom zum Mittelpunkt eines kleinen
italienischen Fürstentums zu machen, bezeichnet die Tragödie der Caraffa; der politische Nepotismus,
der die Pläne und den Ehrgeiz der Päpste von Sixtus IV. bis Paul IV. charakterisiert, hat damit ein
blutiges Ende gefunden. Die großen Päpste in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts, besonders Pius V.
und Sixtus V., vollenden die gänzliche Umwandlung des Gesamtcharakters der päpstlichen Herrschaft
und der Stadt Rom. Aus der Humanistenstadt, aus dem Künstlereldorado, dem von Parteihader zer-
klüfteten Sitze eines Papstnepoten wurde wieder die Hauptstadt der katholischen Welt; was diese an
Ausdehnung ihres alten Besitzes verloren hatte, konnte die straffere Zusammenfassung und die mehr
ideelle Ausgestaltung des Verhältnisses gutmachen.
Der großartige Zug einer solchen Politik spiegelt sich in der monumentalen Gesinnung der Päpste,
mit der wir sie mit dem Umbau der Stadt Rom beschäftigt finden. Die Unternehmungen Sixtus V.
sind es besonders, die eine gigantische Form annehmen; sein Mäcenatentum hat Züge, die an Julius II.
großangelegte Art erinnern. Nur ungeheure Aufgaben freuen ihn, deren Fortschreiten dem Greise nie
rasch genug von statten geht. Wie einst vor dem aufbrausenden Rovere, so zittern die Künstler jetzt
vor dem jähzornigen Peretti; er läßt sie zittern und übt heimliche Großmutsakte an solchen, die seine
Gnade besitzen; als Domenico Fontana den Obelisk vor St. Peter aufstellte, drohte der Papst, ihn im
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Fig. 2. Annibale und Agostino Carracci: Fries im Palazzo Magnani.
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Das XVI. Jahrhundert ist ein bedeutungsvolles in der Geschichte Roms; denn damals machte die
ewige Stadt noch einmal eine Wandlung durch, die ihre Stellung in der Welt völlig veränderte. Nicht
in ruhiger Entwicklung vollzog sich diese Umwandlung: das Jahrhundert, das den furchtbarsten Frevler
und den letzten Heiligen, Alexander VI. und Pius V., auf dem päpstlichen Stuhle sah, war voll wilder
Kämpfe und schrecklicher Katastrophen. Die fürchterlichste von allen, der Sacco di Roma, die tiefste
Demütigung, die Rom erfahren konnte, ist zugleich das Zeichen der Umkehr, der Beginn einer neuen
Glanzzeit; denn Rom, das eine Provinzstadt gewesen war, besinnt sich seiner Bestimmung, die Haupt-
stadt der Welt zu sein. Den endgültigen Abschluß der Tendenzen, Rom zum Mittelpunkt eines kleinen
italienischen Fürstentums zu machen, bezeichnet die Tragödie der Caraffa; der politische Nepotismus,
der die Pläne und den Ehrgeiz der Päpste von Sixtus IV. bis Paul IV. charakterisiert, hat damit ein
blutiges Ende gefunden. Die großen Päpste in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts, besonders Pius V.
und Sixtus V., vollenden die gänzliche Umwandlung des Gesamtcharakters der päpstlichen Herrschaft
und der Stadt Rom. Aus der Humanistenstadt, aus dem Künstlereldorado, dem von Parteihader zer-
klüfteten Sitze eines Papstnepoten wurde wieder die Hauptstadt der katholischen Welt; was diese an
Ausdehnung ihres alten Besitzes verloren hatte, konnte die straffere Zusammenfassung und die mehr
ideelle Ausgestaltung des Verhältnisses gutmachen.
Der großartige Zug einer solchen Politik spiegelt sich in der monumentalen Gesinnung der Päpste,
mit der wir sie mit dem Umbau der Stadt Rom beschäftigt finden. Die Unternehmungen Sixtus V.
sind es besonders, die eine gigantische Form annehmen; sein Mäcenatentum hat Züge, die an Julius II.
großangelegte Art erinnern. Nur ungeheure Aufgaben freuen ihn, deren Fortschreiten dem Greise nie
rasch genug von statten geht. Wie einst vor dem aufbrausenden Rovere, so zittern die Künstler jetzt
vor dem jähzornigen Peretti; er läßt sie zittern und übt heimliche Großmutsakte an solchen, die seine
Gnade besitzen; als Domenico Fontana den Obelisk vor St. Peter aufstellte, drohte der Papst, ihn im
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