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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 26.1906/​1907

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I. Theil: Abhandlungen
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Tietze, Hans: Annibale Carraccis Galerie im Palazzo Farnese und seine römische Werkstätte
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https://doi.org/10.11588/diglit.5946#0072
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Hans Tietze.

wickelt; zu beiden Seiten sitzen Petrus und Johannes; unten sind drei anbetende Heilige versammelt, zur Linken
St. Hermengild und die heilige Maria Magdalena, zur Rechten St. Eduard, der den Stifter, den jungen Kardinal
Odoardo Farnese, empfiehlt. Die beiden Gruppen verbindet die Gestalt eines im Hintergrunde kriechenden
Krüppels; ganz hinten erhebt sich die Peterskirche, im Zustande, in dem sie sich am Anfange der neunziger
Jahre befand; die eine der Nebenkuppeln ist fertig, bei der anderen fehlt der obere Tambour mit der letzten
Bekrönung.

Eine ganz genaue Datierung läßt sich aber aus diesem Detail nicht erschließen; auch handelt es
sich nicht um eine genaue Vedute, da sich kein Standpunkt ergibt, der diese Wiedergabe und die Bau-
werke vor der Kirche befriedigend erklären könnte. Doch gestattet das Alter des Kardinals die An-
setzung um 1595 ebenso sicher wie der Stil des Bildes, dessen Komposition etwa auf Giulio Romanos

Cinque Santi, beziehungsweise auf den
mit Raffaels Louvrezeichnung S20 zu-
sammenhängenden Stich Marc Antons
(B. n3) zurückgehen möchte. Das Bild
gehört noch voll und ganz der cor-
reggesken Richtung des Meisters an; ja,
es ist sogar ganz besonders durch seinen
hellen Gesamtton, durch das vorwiegend
koloristische Empfinden ausgezeichnet;
der heilige Eduard und der betende Kar-
dinal bilden eine geschlossene Gruppe,
in der sich eine besonders feine Farben-
freude ausspricht; das gelbe Wams und
der blaue Mantel des Heiligen vereini-
gen sich mit dem Rot des Kardinalskra-
gens und der weißen Rochettezu pracht-
voller Wirkung. Auch die Köpfe mit
dem zarten flaumigen Bart, mit dem
weichlichen Kontur und dem feuchten
Blick wiederholen noch einmal die Reize,
die Annibale dem Meister von Parma
zu entlehnen wußte. Nicht minder stark
stehen Bewegung und Ausdruck im Zu-
sammenhang mit den früheren Werken;
ein Meister physiognomischer Charak-
teristik ist Annibale niemals gewesen;
was den phlegmatischen Gesichtszügen
Fig. 7. Annibale Carracci, Christus mit Heiligen und Stifter. da abgeht, müssen die stark bewegten

Florenz, Paiazzo Pitti. Hände wettmachen; ihre Haltung und

das Spiel der Finger müssen alles aus-
sprechen. Besonders die Haltung der mit gespreizten Fingern an die Brust geführten Hand, die auf
diesem Bilde zweimal (bei St. Johannes und St. Eduard) vorkommt und die wir bereits auf dem mit
Massaris Hilfe ausgeführten Bilde (Fig. 4) vorfanden, ist eine für Annibale bezeichnende Geste; übri-
gens möchte gerade der Vergleich zweier solcher Details am besten zeigen, wie sehr der Schüler da
vom Meister verschieden ist. Eine Federzeichnung zu dem oberen Teile des Pittibildes befindet sich
im Museum von Lille (Fig. 1). Alles Wesentliche ist hier bereits fixiert; an den Putten ist ein wenig
gerückt; der heilige Johannes blickt auf der Zeichnung — ebenso wie sein Gegenüber — auf den Hei-
land, während er auf dem Bilde nach unten schaut, wodurch die ganze Komposition an Lebendigkeit
gewinnt. Der auffallendste Unterschied ist vielleicht der überaus kräftige Bau Christi, an dessen Stelle
bei der Ausführung ein zarter Jünglingsleib getreten ist. Es ist eine sichere und gar nicht kleinliche
 
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