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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 26.1906/​1907

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I. Theil: Abhandlungen
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Tietze, Hans: Annibale Carraccis Galerie im Palazzo Farnese und seine römische Werkstätte
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https://doi.org/10.11588/diglit.5946#0087
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Annibalc Carraccis Galerie im Palazzo Farnese und seine römische Werkstätte.

79

Sie sitzt auf einem prachtvoll geschmückten Ruhebette mit violettem Himmel, von dessen dunkler Mitte
der weiße Körper der Göttin sich schimmernd abhebt; das hellblonde Haar ist in Strähne geflochten. Sinnend
blickt sie vor sich hin und faßt den Busen mit der Hand, während Anchises die Sandale vom zweiten Fuße löst.
Der junge Trojaner, nur mit einem gelben Gewandstücke bedeckt, blickt der Göttin ins Antlitz. An sie schmiegt
sich ein schelmischer Amor und setzt den Fuß auf einen Schemel, dessen Inschrift «Genus unde Latinum»1 die
Situation mit überflüssiger Deutlichkeit erklärt. Links blickt man über einen antiken Sessel hinweg in eine tiefe
Berglandschaft, die Ketten des Ida.

Herkules und Omphale oder Jole (Fig. 20).

Den Schluß dieser Reihe bildet der stärkste der Heroen, durch die Macht der Liebe beinahe
zum Weibe gemacht.

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111. 1 11 ' *

Herkules, nach der farnesischen Statue
gebildet, sitzt mit der jungen blonden Frau auf
einer Rasenbank. Seinen riesenhaften Leib um-
flattert ein violetter gestreifter Mantel; mit
der Rechten schlägt er ein Tamburin, während
er mit scheuem Seitenblick auf seine schöne
Herrin blickt. Sie ist nur mit dem Löwenfelle
des Helden bekleidet, auf dessen gewaltige
Keule sie sich stützt. Mit dem linken Arme
Und den Beinen umschlingt sie Herkules, auf
den ihr Blick sinnend, vielleicht auch etwas
verächtlich gerichtet ist. Hinter ihr beugt sich
ein bogenbewaffneter Amor über eine Balu-
strade und deutet mit lautem Spott auf sein
letztes Opfer, den unterworfenen Helden.

Bilder der Stirnseiten.

Polyphem und Galatea (Fig. 21).

Das Liebesabenteuer des Zyklopen ist
in zwei Bildern dargestellt, die einander
gegenüber an den Schmalseiten der Gale-
rie angebracht sind; auf dem einen das
Girren des Verliebten, auf dem andern das
Wüten des Verratenen. Die Komik im
Liebeswerben des ungeschlachten Gesellen
hatte ihren Ausdruck schon in der Schilde-
rung Philostrats (Zyklops) gefunden, der
aber Annibale nicht genau gefolgt ist; im
einzelnen sind viele Züge aus Ovid (Metam.
XIV, 780fr.) entlehnt:

Der struppige Liebhaber sitzt auf einem
Felsen, der jäh ins Meer hinausragt; der sehr kräftige Leib und die muskulösen Beine sind nach vorn gerichtet,
während sich der Kopf seitlich der Nereide zuwendet. Dadurch sind die Gesichtszüge undeutlich geworden und
die Schwierigkeit der Darstellung des Stirnauges ist einigermaßen umgangen. Der Zyklop stützt sich auf den linken
Ellbogen und auf sein Pedum und bläst auf der Pansflöte, um durch sein Spiel Galatea zu gewinnen. Über sei-
nem Haupte sind mehrere Bäume sichtbar, sorgfältiger als gewöhnlich ausgeführt und in ihrer verschiedenen
Eigenart charakterisiert. Nicht weit vom Sitze des Polyphem zieht Galatea mit zwei Gespielinnen über das stahl-
blaue, leise bewegte Meer, dessen Wellen mit leichter Gischt um den Felsen spielen. Sie ist ganz menschlicli
gebildet und sitzt in einem muschelförmigen Fahrzeuge, das von Delphinen gezogen wird; sie ist zum Teile
in ein rotes Gewand gehüllt und das reiche Haar hängt ihr in feuchten Strähnen über die Schulter; recht gleich-
gültig blickt sie zu Polyphem herüber. Die eine ihrer Begleiterinnen, auf die sie sich stützt, eine fischschwänzige

' ig. 20.

Annibale Carracci, Herkules und Omphale.
Rom, Palazzo Farnese.

1 Aeneis I, v. 10.
 
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