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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 26.1906/​1907

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I. Theil: Abhandlungen
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Tietze, Hans: Annibale Carraccis Galerie im Palazzo Farnese und seine römische Werkstätte
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.5946#0093
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Annibale Garraccis Galerie im Palazzo Farnese und seine römische Werkstätte. 85

Abydos wurde diese lokale Sage dargestellt und einzelne Motive, der Turm mit der leuchtenden
Hero, der schwimmende Leander, Amor (in der Regel mit einer Fackel über dem Jüngling fliegend)
kommen immer wieder vor.1

Die Bilder der unteren Schmalwände.

Befreiung- der Andromeda (Fig. 25).

Die Sage von Perseus und Andromeda ist in zwei großen Bildern erzählt, die je eine Stirnseite
des Saales völlig einnehmen; das erste stellt die Rettung der Andromeda dar.

Fig. 26. Dominichino, Perseus im Kampf mit Phineus.
Rom, Palazzo Farncsc.

Die Mitte des Bildes nimmt ein mächtiger Felsen ein, an den die unglückliche Königstochter gekettet ist;
um ihre Handgelenke sind Spangen gelegt, die mit einer kurzen Kette an schweren eisernen Ringen befestigt sind.
Andromeda, deren blondes Haar gerlochten ist, ist ganz nackt; nur ein gelbliches, mit schwarzen Linien ge-
mustertes Tuch liegt ihr im Schoß. Halb sitzt sie, halb ist sie angelehnt; sie zieht angstvoll die Beine an sich
und blickt verzweifelt zum Himmel empor. Den Felsen umspült ringsum die grünlichgraue Meerflut. Rechts auf
einer Landzunge stehen die Eltern Andromedas; der greise König (in nicht sehr glücklich gewählter, eingeknickter
Haltung) führt weinend den Mantel an die Augen, um das Schreckliche nicht sehen zu müssen; die Königin
schreit verzweifelt auf, mit hochgehobenen Armen läuft sie heran und macht Miene, sich ins Meer zu stürzen.
Hinter den beiden ist ein Mädchen, vielleicht eine Schwester Andromedas, auf die Knie gesunken und verbirgt
das Gesicht in beiden Händen. In geschickter Weise hat der Maler diese Gruppe mit den nächsten Angehörigen,
die sich völlig der Verzweiflung überlassen, so weit nach vorn geschoben, daß das hohe Riff, an das Andromeda
gefesselt ist, ihnen das Nahen des Retters verbergen mag. Die weiter zurück stehenden Leute sehen den Kampf
schon entbrannt und verfolgen ihn mit größter Aufmerksamkeit. Ganz vorn sitzt ein nackter junger Mann; sein
linkes Bein hängt ins Wasser, das rechte Knie hat er hochgezogen und stützt auf die darauf gelegten Hände das
Kinn. Hinter ihm steht ein hoher Greis in violettem Mantel und zeigt einem Epheben, den er um die Schulter
gefaßt hat, den nahenden Perseus. Dahinter drängen sich weitere Zuschauer, ein Mann, zwei erregte Frauen und
ein nackter Knabe, der sich verständnislos abgewendet hat. Weiter zurück noch sieht man den flachen Strand
eine Bucht bilden, die von Bäumen und Büschen umsäumt ist. Dahinter erhebt sich die Stadt mit zinnengekrönten
Mauern, mit einem runden Gebäude, dessen abgeschnittene Kuppel an das Pantheon erinnert, und mehreren vier-
eckigen Türmen. Auf der andern Seite des Bildes spielt sich der Kampf ab; das greuliche Seeungeheuer mit weit
aufgerissenem flammendroten Rachen schwimmt heran; aber schon ist Perseus über ihm; er reitet auf dem
weißen Flügelroß, hält in der linken Hand das Schwert und streckt mit der Rechten dem Drachen das Gorgonen-
haupt entgegen.

1 Siehe Baumeister, Denkm. 962, Abb. 1155; Sabatier, Description generale des medaillons contorniates, p. 94 f., PI. 14,
12; Mionet, Supplem., t. II, pL VIII, fig. 1.
 
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