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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 26.1906/​1907

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I. Theil: Abhandlungen
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Tietze, Hans: Annibale Carraccis Galerie im Palazzo Farnese und seine römische Werkstätte
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https://doi.org/10.11588/diglit.5946#0111
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Annibale Carraccis Galerie im Palazzo Farnese und seine römische Werkstätte.

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fügung blieb. Vielleicht war es auch der Wunsch des Kardinals, daß den erzählenden Bildern möglichst
viel Raum gewidmet werde und daß eine möglichst große Anzahl von mythologischen Szenen zur Dar-
stellung gelange. Jedenfalls finden wir die Tendenz, diese zu vermehren, und zu diesem Zwecke wird
der Durchblick in den Ecken auf ein Minimum reduziert. Auf diese Art wird der Platz gewonnen, zwi-
schen den Seitenbildern noch bronzefarbene Medaillons mit weiteren mythologischen Darstellungen
einzuschieben; in den Ecken aber bleibt nicht mehr Raum für mächtige Riesehjünglinge sondern gerade
noch eine schmale Spalte, in der zwei Erotenknäblein untergebracht werden können.

Die endgültige Feststellung des ganzen komplizierten Systems hat gewiß noch eine Reihe von
Vorstudien erfordert. Zunächst ist eine zu besprechen, die mit der zuletzt beschriebenen Gesamtstudie
parallel geht. Die Tuschzeichnung in Windsor (VII, 3g, Fig. 34) ist eine Skizze zu dem Mittelbilde
einer Langseite; es ist eine Variation des Versuches, dieses Bild durch Vorlegen vor ein Halbrund
besser zur Geltung zu bringen. Die sehr reiche Bekrönung des Rahmens und die seitliche Begrenzung
mit körbetragenden weiblichen
Hermen stimmt in beiden Zeich-
nungen überein. Das seitlich ein-
geschobene dekorative Glied aber
ist eine Gewandfigur, die, wie es
scheint, in gleicher Ebene mit dem
Bilde gedacht ist; es ist das also
eine Studie, die vielleicht der vori-
gen schon vorausgegangen ist. Kei-
nesfalls ist sie ein Fortschritt über
diese und sie gehört wohl in
denselben Ideenkreis und fügt zu
den beiden Lösungsversuchen auf
Fig. 32 einen selbständigen dritten.
In anderem Zusammenhang wird
übrigens auf die Zeichnung noch
zurückzukommen sein.

Eine andere hier sich an-
schließende Zeichnung ist die Blei-
stiftzeichnung VII, 15 (Fig. 35) in
Windsor, in der Annibale aller-
hand flüchtige Gedanken notiert hat; den Hauptteil des Blattes nehmen Skizzen zu Karyatiden und
Hermen ein. Daneben ist in leisen Strichen das allgemeine Einteilungsschema zu Papier gebracht:
zwischen Hermen sehen wir ein ovales Bild, dann ein rundes, das durch die zwickelfüllenden Figu-
ren deutlich als eines der Bronzemedaillons erkennbar ist; wir sehen auch schon an seiner rechten
Seite ein Segment durch das daneben vorgelagerte Bild abgeschnitten. Die größeren tragenden Ge-
stalten flankieren ein rechteckiges Bild, in dessen Rahmen oben Muschel und Festons bereits eine
Rolle zu spielen beginnen. Die Mitte des Blattes nimmt die Detailstudie zu einer Jünglingsherme ein;
es ist ein pausbäckiger, etwas derber Jüngling, wie sie Annibale in dieser Zeit gern darstellt — man
denke an den Paris oder den Adonis der Galerie —; mit keiner der betreffenden Figuren in der Gale-
rie stimmt sie völlig überein. Weiter unten sind zwei perspektivische Konstruktionen, die vielleicht
auch zu den Vorstudien zur Galerie gehören. Daneben ist eine Studie zu einer Madonna mit dem
Kinde; auch diese Zeichnung zeigt in dem reichen Bewegungsmotiv die Beschäftigung mit Michel-
angelo und in der sehr bestimmten Zeichenweise eine starke Ähnlichkeit mit jenen Studien nach
den Vorfahren Christi (vergleiche besonders Köpfe und Hände). Zwischen den beiden perspektivischen
Konstruktionen sehen wir noch die flüchtige Skizze zu einem Manne, der eine schwere Last, ein nach
vorn gebogenes Gefäß, auf dem Rücken trägt; diese Zeichnung gehört zu der Bilderfolge, die Algardi

Fig. 34. Annibale Carracci, Studie zu einer der Langseiten im Palazzo Farnese.

Windsor.
 
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