Annibale Carraccis Galerie im Palazzo Farnese und seine römische Werkstätte.
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Manierist. Annibale Carracci bleibt vor einer solchen Einseitigkeit bewahrt; denn seine Arbeitsweise
in den letzten Jahren brachte es mit sich, daß er neben den eigenhändig ausgeführten Werken eine
sehr große Anzahl von Bildern Schülern überlassen mußte, denen er dann seine Ideen durch kleine
Zeichnungen, Kompositionsskizzen, mitteilte.1 Dadurch wird dem eifrigen Eingehen auf Einzelheiten
die Wage gehalten.
Bei den dekorativen Teilen der Galerie sind die Zeichnungen um so wichtiger, als sie wohl den
eigentlichen Anteil des Meisters dar-
stellen, während wir uns die Ausfüh-
rung gewiß Schülerhänden überlassen
denken müssen. Wenn wir den Beginn
der Tätigkeit an der Galerie etwa in
das Jahr 1598 setzen — wir dürfen das,
da Annibale erst am Ende des Jahres
r595 neuerdings nach Rom kam und,
hier eine Reihe von Arbeiten für den
Kardinal ausführte, ehe er an die Deko-
ration der Galerie ging, deren Stil nur
mit beglaubigten Bildern aus den aller-
letzten Jahren des XVI. Jahrhunderts
übereinstimmt, — so befand sich schon
zu Anfang der Arbeit Innocenzo Tacconi
in der Werkstätte und noch andere Schü-
ler, deren Namen uns beinahe nur durch
zufällige Fügungen erhalten sind. Den
Namen eines solchen, Ottavio Pincolini,
lernen wir durch ein Schreiben kennen,
in dem Herzog Ranuccio den jungen
Maler seinem Bruder empfiehlt und ihn
bittet, ihn bei seinem Hofmaler, dem
«Annibale Caracciolo», unterzubringen.2
Am interessantesten ist unter die-
sen Studien eine Rötelzeichnung der
Uffizien (Fig. 37), die zu einem der
Satyre an den Stirnseiten des Saales ge-
hört; das Motiv ist nicht genau ausge-
führt worden, aber die Haltung im all-
gemeinen sowie die angedeuteten Architekturteile, auf denen er sitzt, zeigen die Zusammengehörig-
keit mit jenen Gestalten. Auch im Gesicht und in dem struppigen Haar kündigt sich der Typus jener
schon an. Es ist eine Aktstudie, die sich besonders mit der Schulter und dem muskulösen Rücken
des Modells beschäftigt und die dann frei der Dekoration der Galerie einverleibt wurde. Wir lernen
zugleich ein Beispiel für die so zahlreichen Rötelaktstudien Annibales kennen. Ein großer Teil dieser
Fig. 37.
Annibale Carracci, Rötelstudie zu einem Satyr im Palazzo Farnese.
Florenz, Uffizien.
1 Mancini, Ragguaglio della vita di alcuni Pittori in Rom, Vatic, Bibl. Barb., lat. 4315; im Leben des Albani heißt es
über dessen nach Zeichnungen Annibales ausgeführte Fresken in S. Giacomo de Spagnoli: «nella Capella di S. Jacomo de
Spagnoli, nella quäle ancorche v' habbia operato qualche Cosa Annibale et i disegni siano suoi, non dimeno quello che e suo
(d'Albani) si vede di che perfettione sia, e 1'inventioni, et i disegni furon minimi schizzi» etc.
2 Neapel, Archivio di stato, Cartae farnesianae, fasc. 724: «AI signor Cardinale Farnese. Si ritrova in Roma Ottavio
Pincolini nostro suddeto di questa Cittä giovane che come intendo attende alla Pittura et essendo io stato ricercato da An-
tonio Pincolini suo fratello che serve qua per Notare del Criminale con molta mia sodisfattione, a supplicare Vostra Signoria
Illustrissima che sia servita di dar la parte ad esso Ottavio in Casa in compagnia di Annibale Caracciolo suo Pittore, con
che perö quando Vostra Signoria Illustrissima havera da servirsene per Pitture habbrä egli da servirla gratis. Non ho potuto
14*
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Manierist. Annibale Carracci bleibt vor einer solchen Einseitigkeit bewahrt; denn seine Arbeitsweise
in den letzten Jahren brachte es mit sich, daß er neben den eigenhändig ausgeführten Werken eine
sehr große Anzahl von Bildern Schülern überlassen mußte, denen er dann seine Ideen durch kleine
Zeichnungen, Kompositionsskizzen, mitteilte.1 Dadurch wird dem eifrigen Eingehen auf Einzelheiten
die Wage gehalten.
Bei den dekorativen Teilen der Galerie sind die Zeichnungen um so wichtiger, als sie wohl den
eigentlichen Anteil des Meisters dar-
stellen, während wir uns die Ausfüh-
rung gewiß Schülerhänden überlassen
denken müssen. Wenn wir den Beginn
der Tätigkeit an der Galerie etwa in
das Jahr 1598 setzen — wir dürfen das,
da Annibale erst am Ende des Jahres
r595 neuerdings nach Rom kam und,
hier eine Reihe von Arbeiten für den
Kardinal ausführte, ehe er an die Deko-
ration der Galerie ging, deren Stil nur
mit beglaubigten Bildern aus den aller-
letzten Jahren des XVI. Jahrhunderts
übereinstimmt, — so befand sich schon
zu Anfang der Arbeit Innocenzo Tacconi
in der Werkstätte und noch andere Schü-
ler, deren Namen uns beinahe nur durch
zufällige Fügungen erhalten sind. Den
Namen eines solchen, Ottavio Pincolini,
lernen wir durch ein Schreiben kennen,
in dem Herzog Ranuccio den jungen
Maler seinem Bruder empfiehlt und ihn
bittet, ihn bei seinem Hofmaler, dem
«Annibale Caracciolo», unterzubringen.2
Am interessantesten ist unter die-
sen Studien eine Rötelzeichnung der
Uffizien (Fig. 37), die zu einem der
Satyre an den Stirnseiten des Saales ge-
hört; das Motiv ist nicht genau ausge-
führt worden, aber die Haltung im all-
gemeinen sowie die angedeuteten Architekturteile, auf denen er sitzt, zeigen die Zusammengehörig-
keit mit jenen Gestalten. Auch im Gesicht und in dem struppigen Haar kündigt sich der Typus jener
schon an. Es ist eine Aktstudie, die sich besonders mit der Schulter und dem muskulösen Rücken
des Modells beschäftigt und die dann frei der Dekoration der Galerie einverleibt wurde. Wir lernen
zugleich ein Beispiel für die so zahlreichen Rötelaktstudien Annibales kennen. Ein großer Teil dieser
Fig. 37.
Annibale Carracci, Rötelstudie zu einem Satyr im Palazzo Farnese.
Florenz, Uffizien.
1 Mancini, Ragguaglio della vita di alcuni Pittori in Rom, Vatic, Bibl. Barb., lat. 4315; im Leben des Albani heißt es
über dessen nach Zeichnungen Annibales ausgeführte Fresken in S. Giacomo de Spagnoli: «nella Capella di S. Jacomo de
Spagnoli, nella quäle ancorche v' habbia operato qualche Cosa Annibale et i disegni siano suoi, non dimeno quello che e suo
(d'Albani) si vede di che perfettione sia, e 1'inventioni, et i disegni furon minimi schizzi» etc.
2 Neapel, Archivio di stato, Cartae farnesianae, fasc. 724: «AI signor Cardinale Farnese. Si ritrova in Roma Ottavio
Pincolini nostro suddeto di questa Cittä giovane che come intendo attende alla Pittura et essendo io stato ricercato da An-
tonio Pincolini suo fratello che serve qua per Notare del Criminale con molta mia sodisfattione, a supplicare Vostra Signoria
Illustrissima che sia servita di dar la parte ad esso Ottavio in Casa in compagnia di Annibale Caracciolo suo Pittore, con
che perö quando Vostra Signoria Illustrissima havera da servirsene per Pitture habbrä egli da servirla gratis. Non ho potuto
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