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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 26.1906/​1907

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I. Theil: Abhandlungen
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Tietze, Hans: Annibale Carraccis Galerie im Palazzo Farnese und seine römische Werkstätte
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https://doi.org/10.11588/diglit.5946#0126
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Hans Tietze.

Angabe nicht als übertrieben ansehen. Besonders aufschlußreich sind zwei Zeichnungen zu derselben
Figur, der liegenden Frau im Vordergrunde rechts, weil sie den Gang der Entwicklung vergegenwär-
tigen. Die eine, eine Kohlenzeichnung des Louvre (7372, Fig. 44) ist eine Aktstudie nach einem männ-
lichen Modell; die Stellung entspricht genau dem Fresko; nur die Art, wie das Gewand über den Unter-
körper gelegt ist, ist ganz summarisch. Am sorgfältigsten sind die Arme und der Hals wiedergegeben
und das Schwellen des Biceps am linken Arme sowie das Vorspringen der Sehnen am Halse ist mit viel
Aufmerksamkeit studiert. Die andere Zeichnung (Uffizien, ausgestellt)1 ist eine Ubersetzung ins Weib-
liche und das letzte Stadium der Vorbereitungen vor der Aufnahme in den Karton. Es ist augenfällig,
daß diese Zeichnung unter Benützung der vorerwähnten Modellstudie entstanden ist; nur mußten die

Fig. 44. Annibale Carracci, Detailstudie zum Bacchuszug im Palazzo Farnese.

Louvre.

knochigen sehnigen Formen des Jünglings überall weiblicher Fülle Platz machen. Bei der Ausführung
wurde fast nichts mehr geändert; nur das Gewand wurde in andere Falten gelegt. Vielleicht sind auch
andere Figuren des Zuges in ähnlicher Weise vorbereitet worden; von mehreren existieren Kohlen-
zeichnungen, die sie schon bis ins kleinste Detail zurechtgelegt zeigen, so von dem tanzenden Faun
neben Ariadne (Louvre 7187), von dem blasenden Satyr rechts von Silen (Louvre 73i6) und endlich
von dem einen Putto über dem Zuge (Windsor).

Schon früh wird die große Anzahl der Zeichnungen hervorgehoben, die Annibale für dieses Werk
angefertigt habe; Angeloni erzählt im Jahre 1641, daß er 600 Zeichnungen Annibales besitze, von
denen der größte Teil sich auf die Galerie beziehe.2 Durch Pierre Mignard gelangte ein großer Teil
dieser Zeichnungen nach Frankreich; er bildete aus ihnen mehrere Bände, die mit Ausnahme eines

1 Phot. Phil-Pots. Die mit dieser ausgestellte Rötelzeichnung (770) in den Uffizien, die auch von Navenne angeführt
wird (a. a. O., S. 190), ist nur eine Kopie nach dem Fresko.

2 Francesco Angeloni, Historia augusta illustrata con la veritä delle antiche medaglie 1641, p- 251: «e si puö etiandio
comprendere la finezza dell' ingegno, e la profonditä del sapere di Annibale suddetto in seicento vari disegni di lui appresso
di me, inventati la maggior parte per ornarne con pittura la celebre Galleria Farnesiana.» Angelonis verwandtschaftliches Ver-
hältnis zu Bellori muß hier zumindest erwähnt werden.
 
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