I 20
Hans Tietze.
Bacchuszuge möglich war, und wir werden uns begnügen, noch die eine oder die andere Zeichnung
heranzuziehen.
Eine Komposition, die von Anfang an in Annibales Geist eine ganz bestimmte Form angenommen
hat, ist die zu dem Bilde «Pan und Selene» (Fig. 16); alle Hauptzüge finden sich schon auf einer
leicht getuschten Zeichnung in Windsor (II 37, Fig. 45), in der der Künstler einen plötzlichen Einfall
notiert zu haben scheint. In flüchtigen Linien ist der Umriß des Ausschnittes gegeben, in den das Bild
gehörte. Pan steht ganz links, das linke Bein hat er auf eine kleine Erderhöhung gestellt; mit beiden
Händen hält er der heranschwebenden Göttin seine Gabe entgegen. Der stärkeren Dringlichkeit dieser
Bewegung entspricht die Haltung des Kopfes, die einem Bittenden angemessen ist; die Ziege liegt auf
dem Boden und blickt
~M~'ti~. " '" I aus dem Bilde heraus.
1 H (m §5 Ig 9 iSSäif • '■ Diana, zarter und lieb-
B^yP^^^^pTT'aJ'l tZ'^jlg^ + \ reicher als auf dem
j^^J^^^^^lf^^M^^^^^^* '''• • Fresko, ist in ganzer
Figur sichtbar, nur
ihre Füße versinken
in den Wolken, die
sie tragen. Sie neigt
sich zu dem Empor-
blickenden herab und
greift mit der Rechten
nach dem dargereich-
ten Felle; in der lin-
ken Hand hält sie den
Jagdspeer und hier
lugt ein Reh hervor.
An der Komposition
ist nicht mehr viel ge-
ändert worden; nur Ein-
zelheiten haben eine
neue Fassung erhalten.
Mit den dazu führen-
den Bemühungen An-
nibales macht uns eine Kohlenzeichnung im Louvre (Phot. Giraudon 63i) bekannt. Es ist eine jener
genauen Vorstudien, die der Übernahme in das Fresko unmittelbar vorangehen; nur ist die Bewegung
hier eine lebhaftere, der Blick ist gierig nach oben gerichtet; in der Ausführung ist alles viel ruhiger
geworden.
Einige weitere Zeichnungen, die unserer Kenntnis von Annibales Stil und Arbeitsweise nichts
Wesentliches hinzufügen, seien hier nur in Kürze besprochen. Zu der Hochzeit des Zeus und der Juno
gehört ein Gesamtentwurf im Besitze des Lord Ellesmere (Bridgewaterhouse Nr. 81); Zeus liegt hier
auf dem Ruhelager ausgestreckt, während Junos Stellung nicht mehr vieler Abänderungen bedarf.
Zeus sitzt dann später; eine Kohlenzeichnung im Louvre (Nr. 7403) beschäftigt sich in eingehender
Weise mit den Falten der Draperie, die um seine Beine geschlungen ist. Eine weitere Zeichnung des
Louvre (Nr. 7329) stellt Apollo mit Hyacinth dar.
Von größerem Interesse als die zuletzt besprochenen Zeichnungen ist eine des Musee Wicar in
Lille (Fig. 46); es ist eine Federzeichnung mit der Darstellung von Polyphem und Galatea. Verglei-
chen wir die Zeichnung mit dem Fresko der Galerie (Fig. 21), so fallen uns sogleich eine Reihe von
Unterschieden auf, von denen der größte der ist, daß die Zeichnung ein Breitbild, das Fresko ein Hoch-
bild ist. Bei näherer Betrachtung mehren sich die Unterschiede; begreiflich werden uns diese sogleich,
Fig. 46.
Agostino Carracci, Polyphem und Galatea, Federzeichnung.
Lille.
Hans Tietze.
Bacchuszuge möglich war, und wir werden uns begnügen, noch die eine oder die andere Zeichnung
heranzuziehen.
Eine Komposition, die von Anfang an in Annibales Geist eine ganz bestimmte Form angenommen
hat, ist die zu dem Bilde «Pan und Selene» (Fig. 16); alle Hauptzüge finden sich schon auf einer
leicht getuschten Zeichnung in Windsor (II 37, Fig. 45), in der der Künstler einen plötzlichen Einfall
notiert zu haben scheint. In flüchtigen Linien ist der Umriß des Ausschnittes gegeben, in den das Bild
gehörte. Pan steht ganz links, das linke Bein hat er auf eine kleine Erderhöhung gestellt; mit beiden
Händen hält er der heranschwebenden Göttin seine Gabe entgegen. Der stärkeren Dringlichkeit dieser
Bewegung entspricht die Haltung des Kopfes, die einem Bittenden angemessen ist; die Ziege liegt auf
dem Boden und blickt
~M~'ti~. " '" I aus dem Bilde heraus.
1 H (m §5 Ig 9 iSSäif • '■ Diana, zarter und lieb-
B^yP^^^^pTT'aJ'l tZ'^jlg^ + \ reicher als auf dem
j^^J^^^^^lf^^M^^^^^^* '''• • Fresko, ist in ganzer
Figur sichtbar, nur
ihre Füße versinken
in den Wolken, die
sie tragen. Sie neigt
sich zu dem Empor-
blickenden herab und
greift mit der Rechten
nach dem dargereich-
ten Felle; in der lin-
ken Hand hält sie den
Jagdspeer und hier
lugt ein Reh hervor.
An der Komposition
ist nicht mehr viel ge-
ändert worden; nur Ein-
zelheiten haben eine
neue Fassung erhalten.
Mit den dazu führen-
den Bemühungen An-
nibales macht uns eine Kohlenzeichnung im Louvre (Phot. Giraudon 63i) bekannt. Es ist eine jener
genauen Vorstudien, die der Übernahme in das Fresko unmittelbar vorangehen; nur ist die Bewegung
hier eine lebhaftere, der Blick ist gierig nach oben gerichtet; in der Ausführung ist alles viel ruhiger
geworden.
Einige weitere Zeichnungen, die unserer Kenntnis von Annibales Stil und Arbeitsweise nichts
Wesentliches hinzufügen, seien hier nur in Kürze besprochen. Zu der Hochzeit des Zeus und der Juno
gehört ein Gesamtentwurf im Besitze des Lord Ellesmere (Bridgewaterhouse Nr. 81); Zeus liegt hier
auf dem Ruhelager ausgestreckt, während Junos Stellung nicht mehr vieler Abänderungen bedarf.
Zeus sitzt dann später; eine Kohlenzeichnung im Louvre (Nr. 7403) beschäftigt sich in eingehender
Weise mit den Falten der Draperie, die um seine Beine geschlungen ist. Eine weitere Zeichnung des
Louvre (Nr. 7329) stellt Apollo mit Hyacinth dar.
Von größerem Interesse als die zuletzt besprochenen Zeichnungen ist eine des Musee Wicar in
Lille (Fig. 46); es ist eine Federzeichnung mit der Darstellung von Polyphem und Galatea. Verglei-
chen wir die Zeichnung mit dem Fresko der Galerie (Fig. 21), so fallen uns sogleich eine Reihe von
Unterschieden auf, von denen der größte der ist, daß die Zeichnung ein Breitbild, das Fresko ein Hoch-
bild ist. Bei näherer Betrachtung mehren sich die Unterschiede; begreiflich werden uns diese sogleich,
Fig. 46.
Agostino Carracci, Polyphem und Galatea, Federzeichnung.
Lille.