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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 26.1906/​1907

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I. Theil: Abhandlungen
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Tietze, Hans: Annibale Carraccis Galerie im Palazzo Farnese und seine römische Werkstätte
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https://doi.org/10.11588/diglit.5946#0145
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Annibalc Carraccis Galerie im Palazzo Farnese und seine römische Werkstätte.

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hier eigen; im einzelnen ist er an den stark bewegten Fingern und der breiten Mittelhand leicht kennt-
lich. Aber auch seine Vorzüge finden sich wieder, deren erster die schöne, breit behandelte Landschaft
ist; zum Unterschied von seinem Meister wendet er auch den Details der Vegetation, den ganz vorn zu
Füßen der beiden Heiligen sprießenden Kräutern und Pflanzen, volles Interesse zu und führt sie mit
größter Sorgfalt aus; daneben bleibt der Landschaft im Hintergrunde ihre Großzügigkeit gewahrt. Sie
ist auf einen grünlichgrauen Gesamtton gestimmt und hebt sich von dem hellblauen Himmel, den
helle Wolkenstreifen durchziehen, ab; die gleiche sanfte Abendstimmung ist im Hintergrunde des
Kreuzigungsbildes von S. Sebastiano glücklich angeschlagen (Fig. 53).

In späterer Zeit hat Tacconi nicht mehr dieselbe große Rolle in Annibales Werkstätte gespielt;
wenn später Albani gelegentlich bitter bemerkt, Innocenzo
habe den Meister ganz kaptiviert und niemanden an ihn heran-
kommen lassen, so scheint daraus mehr gekränkte Eifersucht
als Berechtigung zu sprechen; denn tatsächlich sind Albani
und Dominichino seit ihrer Ankunft in Rom an allen Ar-
beiten beteiligt. Beide waren ungefähr gleichaltrig — Albani
ist 1578, Dominichino 1581 geboren— und hatten einen sehr
ähnlichen Lehrgang durchgemacht; zunächst waren sie — wie
auch ihr Altersgenosse, der 1575 geborene Guido Reni, —
Schüler des Dionigio Calvaert gewesen und waren später in
die Werkstätte der Carracci eingetreten. Nach all dem, was
in den verschiedenen Viten der drei über die näheren Um-
stände ihrer Trennung von dem ersten Meister berichtet ist,
geht hervor, daß sie schon über das Knabenalter hinaus waren,
als sie zu den Carracci kamen; dies dürfte sich also zwischen
1590 und 1595 ereignet haben. Guido Reni scheint nicht
lange in einem eigentlichen Schülerverhältnis geblieben zu
sein, denn wir sehen ihn gar bald mit selbständigen Arbei-
ten beschäftigt und besonders nach dem Weggange Annibales
und Agostinos in unverhohlener Konkurrenz mit dem Alt-
meister Lodovico. Er kann unter diesen Umständen kaum
zum engeren Schülerkreise der Carracci gerechnet werden;
sein eigentlicher Lehrer war Calvaert, wie Reni selbst ge-
legentlich mit scharfer Pointierung berichtete; nur Lodovico
hat unzweifelhaft einen großen Einfluß auf ihn ausgeübt.
Doch kaum flügge geworden, begann Reni in nicht immer
ganz einwandfreier Weise mit dem Meister zu konkur-
rieren;1 ihm trat aber bald der Hauptschüler der Carracci, Francesco Albani, entgegen. Besonders
heftig scheint der Kampf im Jahre 1598 entbrannt zu sein, als der Senat einen monumentalen Auftrag
zu vergeben hatte, nämlich die Festdekorationen anläßlich des Einzuges Clemens VIII., der nach der
Eroberung von Ferrara nach Bologna kam. Der Auftrag, um den sich auch Lodovico Carracci und
Bartolomeo Cesi bewarben, wurde dem Reni erteilt, der ihn zu allgemeiner Befriedigung ausführte;2
unter diesen Umständen war das Verhältnis zwischen Reni und Lodovico ziemlich gespannt und dieser
beförderte auf jede Weise die Bemühungen Albanis, dem Gegner den Rang abzulaufen. So entstand
eine Reihe von Bildern, aus denen wir Albanis erste Art erkennen; eines davon, die Geburt der Jung-
frau Maria, befindet sich in der Galerie des Konservatorenpalastes in Rom (Nr. 142); es war für das

Fig. 54. Innocenzo Tacconi, Madonna
mit den heil. Franziskus und Dorothea.
Spoleto, Dom.

1 Malvasia II, 12.

2 Descrittione degli Apparati fatti in Bologna per la Venuta di N. S. Papa demente VIII.....co' disegni degli Archi,

Statue et Pitture dedicata a gli III"" Sig1 del Reggimento di Bologna da Vittorio Benacci, 1599.

XXVI. 18
 
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