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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 26.1906/​1907

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I. Theil: Abhandlungen
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Tietze, Hans: Annibale Carraccis Galerie im Palazzo Farnese und seine römische Werkstätte
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https://doi.org/10.11588/diglit.5946#0160
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Hans Tietze.

Fig. 61. Dominichino, Anbetung der heil, drei Könige.
Rom, Palazzo Doria.

und die Lanze soll von oben herabsausen, wodurch die ganze Stellung bedeutend an Kraft gewinnt.
Im selben Sinne ist auch der linke Arm verändert, der auf der ersten Zeichnung vor das Gesicht gehoben
ist, nun aber mit dem Schilde den Leib schützt, so daß der Blick darüber hinweg auf das todbringende
Gorgoneion gerichtet ist. Dieses Herumtasten und Versuchen drückt sich, wie immer bei Dominichino,
auch in der Zeichenweise aus; ein ganz zerfahrener Umriß und darinnen wirre Kreuz- und Querstriche,
die die Grenzen der einzelnen Bestandteile verwischen. Ist auf irgend ein Detail etwas sorgsamer ein-
gegangen (wie etwa bei dem rechten Schenkel, der Innenseite des Schildes, dem linken Unterarm), so
fängt Dominichino sogleich an, diese Teile durch Kreuzlagen zu modellieren.

Den Perseus gibt eine Kohlenzeichnung der Windsorsammlung wieder (XI, 32); es ist eine sehr
genaue Aktstudie mit lockeren, stellenweise nicht ganz sicheren Umrissen; gegenüber Annibales Akten
fehlt die breite Behandlung, die große Sicherheit; einen Ersatz dafür bietet eine größere Sorgfalt der
Modeiiierang, ein Eingehen auf die feinere Gestaltung der Oberfläche, während z. B. Agostino Carracci,
den ja ähnliche Probleme beschäftigten, nur das Massige, das mächtiger Ausgeprägte darzustellen liebt.
Die Vorzüge von Dominichinos Zeichenweise treten deutlicher in einer dritten Zeichnung in Windsor her-
vor (111,53), auf der der ins Knie gesunkene Krieger links dargestellt ist; es ist das eine der Zeichnungen,
die in Dominichinos Oeuvre mit den Jahren immer zahlreicher werden, in denen er sein Bestes zu
geben imstande ist. Die lange Mühe und die gründlichen Vorarbeiten, die er an eine einzelne Gestalt
gewendet hat, ehe sie ihn voll befriedigte, ermöglichen ihm, sie in der letzten Fassung mit außerordent-
licher Klarheit und vollster Sicherheit wiederzugeben. So folgt er auch hier liebevoll den kapriziösen
Linien der Brust und dem welligen Umriß der muskulösen Arme und Beine und verdeutlicht in ener-
gischen Strichen die Struktur des knochigen Gesichtes.

Eine direkte Naturstudie ist eine Kohlenzeichnung in Windsor (VI, 8), auf der zwei entsetzt
fliehende Jünglinge dargestellt sind, die angstvoll die Gesichter in den Händen verstecken; sie ergänzt
das Bild, das wir uns von der Entstehung der Fresken nun machen können. Alles, der ursprüngliche
Entwurf und die Detailarbeit, ist Eigentum Dominichinos; daher sind sie wohl als die letzten Arbeiten
des Künstlers in der Galerie anzusehen, der sie als selbständiger Mitarbeiter ausführt. Untergeordneter
ist seine Stellung bei den kleinen mythologischen Bildern an den Langwänden, die gleichfalls auf ihn
 
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