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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 26.1906/​1907

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I. Theil: Abhandlungen
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Tietze, Hans: Annibale Carraccis Galerie im Palazzo Farnese und seine römische Werkstätte
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https://doi.org/10.11588/diglit.5946#0167
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Annibale Carraccis Galerie im Palazzo Farnese und seine römische Werkstättc. ^59

wieder das Weiße sichtbar und die Blicke haben durch einen winzigen weißen Punkt in der Pupille
etwas Stechendes. Im ersten Bilde ist die Madonnengruppe ziemlich mit jener in Übereinstimmung;
auch hier schwebt sie in ähnlicher Haltung von Engeln getragen empor, von denen einer sein Köpf-
chen unter ihrem ausgestreckten Arme durchsteckt. Auf dem anderen Bilde kniet Johannes in einer
Landschaft, die sich am Horizont ins Blaue verliert, und oben fliegen vier Engel. Beide Bilder sind
fröhlich bunt und alle Gewänder schimmernd rot und blau.

Von größerem Interesse sind zwei kleine mythologische Bilder der Nationalgalerie in London,
beide von Albani unter Annibales direkten Einfluß ausgeführt. Das eine (Nr. 94, Fig. 64) führt seit
Lanzi den Titel: «Pan lehrt den Apollo die Flöte blasen», das andere (Nr. 93) stellt Silen vor, der von
zwei Faunen in die Höhe gehoben wurde, so daß er eine über ihm hängende Traube erreichen kann.1

Fig. 66. Francesco Albani, Apollo und Daphne.
Paris, Louvrc.

Auf dem ersten Bilde sehen wir einen dicken Faun auf einem Fell auf dem Boden sitzen; hinter ihm hängt
seine Pansflöte an einem Baumstrunke; der Alte hat die Beine ein wenig an sich gezogen und die verschränkteil
Arme auf die Knie gelegt und blickt aufmerksam und prüfend zu dem noch fast knabenhaften Jünglinge herüber,
der ihm gegenüber mit verschränkten Beinen auf einem kleinen Erdhügel sitzt und die Pansflöte bläst. Er hat
das Instrument soeben von den Lippen abgesetzt und blickt fragend auf seinen Lehrer; neben ihm stehen ein
paar struppige Bäume und an einem ihrer Stämme hängt eine Doppelflöte.

Das Seltsame an diesem Bilde ist, daß beide darauf vorkommenden Figuren direkt und fast ohne
Änderung antiken Kunstwerken entlehnt sind, und auch den kleinen Abweichungen können wir nach-
gehen, da für jede der beiden Personen eine genaue Vorstudie vorhanden ist; es scheint, daß Albani vom
Ehrgeiz beseelt war, es seinem Freunde Dominichino an Genauigkeit einmal gleichzutun, und deshalb so
sorgfältige Vorbereitungen machte. Zum dicken Silen gehört eine Kohlenzeichnung im Louvre (Nr. 7199),
die sich von dem Bilde besonders dadurch unterscheidet, daß die Arme umgekehrt verschränkt sind;
die flaue, unbestimmte Zeichenweise Albanis ist leicht zu erkennen. Das Motiv selbst ist einem Kameo
entlehnt, der aus Farnesischem Besitz in das Museo Borbonico kam und jetzt im Museo Nazionale in
Neapel die Inventarnummer 25895 führt.2 Der Alte sitzt auf einem Felle, Syrinx und Flöte hängen

1 Beide Bilder befanden sich früher im Palazzo Lancelotti in Rom; Ramdohr, der das Bild 94 «ein junger Bacchus
spielt dem Silen auf der Flöte vor» nennt, erzahlt, es habe ehemals «zum Deckel eines Clavecins gedient», zu dessen Ver-
zierung auch das andere Bildchen gehört habe: Ober Malerei etc. in Rom III, 75.

* Museo Borbonico I, $3, 2; Furtwängler, Gemmen, T. XLII, Nr. 56. Der Pan oder Silen kommt auch auf einer Zeich-
nung Albanis in Frankfurt (Staedelsches Institut, als Annibale Carracci) vor: «Amor dem Marsyas (?) auf der Flöte vorspie-
lend». Ihr Vorbild war eine andere aus farnesischem Besitze stammende Gemme, jetzt als Nr. 26.816 im Museum in Neapel.
 
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