Annibale Carraccis Galerie im Palazzo Farnese und seine römische Werkstätte.
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um seine Glieder. Zu beiden Seiten sind je zwei Putten sichtbar; die vorderen halten hohe Urnen und
scheinen zu klagen, die rückwärtigen sind kaum mehr sichtbar, da das Bild sehr nachgedunkelt ist.
Den Abschluß dieser Periode von Albanis Kunstschaffen bildet etwa das Bild im Louvre (1112,
Fig. 66), das Apollo, Daphne verfolgend, darstellt. In vielen Punkten hängt dieses Bild noch mit den
früheren zusammen; Apollo hat ein Knabengesicht, um das kurze Locken spielen, mit geschlitzten
Augen und einem ganz kindlichen Munde; es ist der Jüngling von Fig. 65 ins Profil gedreht. Eine
Weiterentwicklung zeigt die Daphne,
deren Gesicht den Typus zeigt, den die
mythologischen Fresken im Palazzo Ve-
rospi und in Bassano de' Sutri aufweisen
und der sich aus der Annäherung Alba-
nis und Dominichinos an einander ent-
wickelt. Den Hintergrund bildet wieder
flaches Land, das zu beiden Seiten zu
blauen Bergen aufsteigt; rechts und links
wird das Bild durch Bäume abgegrenzt,
deren dürftiges Laub in blassen Flecken
gemalt ist und wie den dünnen Ästchen
angeklebt erscheint.
Eine größere Rolle spielt zu dieser
Zeit Dominichino in der Werkstätte Anni-
bales; nach allem, was uns von ihm be-
kannt ist, kann uns das nicht verwunder-
lich erscheinen. Abgesehen davon, daß
er durch seine gleichzeitige Tätigkeit in
der Galerie mehr und mehr Annibales
Stileigentümlichkeiten in sich aufnahm,
war er überhaupt eine leicht zu beein-
flussende Natur und wie wenige imstande,
auf fremde Ideen einzugehen und ihnen
ein fügsames Werkzeug zu sein. In Bas-
sano hatte er kurze Zeit später (zwischen
1605 und 1609) ein Zimmer «im Stile
der Zuccari» auszumalen und er hat auch
diese Aufgabe vorzüglich gelöst. Im Ge-
genteil, im Bewußtsein seiner Schwäche
in der Komposition war ihm vielleicht
eine solche Teilung der Arbeit nicht unerwünscht, bei der ihm ein anderer die Komposition zur Ver-
fügung stellte; auch in späteren Jahren hat er sich gern an ein anerkanntes Vorbild angeschlossen,
etwa in der Kommunion des heiligen Hieronymus an Agostino Carracci, in der Marter des heiligen
Petrus Martyr an Tizian, und auch sonst können wir ihm im einzelnen auf Schritt und Tritt solche
Entlehnungen nachweisen. Und daß er an dieser Arbeit unter der Ägide eines Größeren sein Be-
hagen fand, läßt sich vielleicht auch daraus folgern, daß er in diesen Jahren mit Hilfe von Zeich-
nungen Annibales mehrere seiner reifsten Werke schuf.
Das erste davon, noch i6o3 entstanden, ist das Gebet des heiligen Gregor (Fig. 67), das für die
Kirche von S. Gregorio Magno gemalt wurde und sich nun im Bridgewaterhouse (Nr. 76) befindet.
Kardinal Antonio Maria Salviati, seit der Zeit Gregors XIII. Titular der Kirche, erbaute für das hoch-
verehrte Gnadenbild der heiligen Jungfrau, das zum heiligen Gregor gesprochen haben soll, eine Kapelle
und ließ dafür einen prunkvollen Altar errichten; der Schmuck der Kapelle scheint im Jubiläumsjahre
xxvi. 21
Fig. 68.
Annibale Carracci, Federzeichnung zum heil. Gregor
im Bridgewaterhouse.
Windsor.
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um seine Glieder. Zu beiden Seiten sind je zwei Putten sichtbar; die vorderen halten hohe Urnen und
scheinen zu klagen, die rückwärtigen sind kaum mehr sichtbar, da das Bild sehr nachgedunkelt ist.
Den Abschluß dieser Periode von Albanis Kunstschaffen bildet etwa das Bild im Louvre (1112,
Fig. 66), das Apollo, Daphne verfolgend, darstellt. In vielen Punkten hängt dieses Bild noch mit den
früheren zusammen; Apollo hat ein Knabengesicht, um das kurze Locken spielen, mit geschlitzten
Augen und einem ganz kindlichen Munde; es ist der Jüngling von Fig. 65 ins Profil gedreht. Eine
Weiterentwicklung zeigt die Daphne,
deren Gesicht den Typus zeigt, den die
mythologischen Fresken im Palazzo Ve-
rospi und in Bassano de' Sutri aufweisen
und der sich aus der Annäherung Alba-
nis und Dominichinos an einander ent-
wickelt. Den Hintergrund bildet wieder
flaches Land, das zu beiden Seiten zu
blauen Bergen aufsteigt; rechts und links
wird das Bild durch Bäume abgegrenzt,
deren dürftiges Laub in blassen Flecken
gemalt ist und wie den dünnen Ästchen
angeklebt erscheint.
Eine größere Rolle spielt zu dieser
Zeit Dominichino in der Werkstätte Anni-
bales; nach allem, was uns von ihm be-
kannt ist, kann uns das nicht verwunder-
lich erscheinen. Abgesehen davon, daß
er durch seine gleichzeitige Tätigkeit in
der Galerie mehr und mehr Annibales
Stileigentümlichkeiten in sich aufnahm,
war er überhaupt eine leicht zu beein-
flussende Natur und wie wenige imstande,
auf fremde Ideen einzugehen und ihnen
ein fügsames Werkzeug zu sein. In Bas-
sano hatte er kurze Zeit später (zwischen
1605 und 1609) ein Zimmer «im Stile
der Zuccari» auszumalen und er hat auch
diese Aufgabe vorzüglich gelöst. Im Ge-
genteil, im Bewußtsein seiner Schwäche
in der Komposition war ihm vielleicht
eine solche Teilung der Arbeit nicht unerwünscht, bei der ihm ein anderer die Komposition zur Ver-
fügung stellte; auch in späteren Jahren hat er sich gern an ein anerkanntes Vorbild angeschlossen,
etwa in der Kommunion des heiligen Hieronymus an Agostino Carracci, in der Marter des heiligen
Petrus Martyr an Tizian, und auch sonst können wir ihm im einzelnen auf Schritt und Tritt solche
Entlehnungen nachweisen. Und daß er an dieser Arbeit unter der Ägide eines Größeren sein Be-
hagen fand, läßt sich vielleicht auch daraus folgern, daß er in diesen Jahren mit Hilfe von Zeich-
nungen Annibales mehrere seiner reifsten Werke schuf.
Das erste davon, noch i6o3 entstanden, ist das Gebet des heiligen Gregor (Fig. 67), das für die
Kirche von S. Gregorio Magno gemalt wurde und sich nun im Bridgewaterhouse (Nr. 76) befindet.
Kardinal Antonio Maria Salviati, seit der Zeit Gregors XIII. Titular der Kirche, erbaute für das hoch-
verehrte Gnadenbild der heiligen Jungfrau, das zum heiligen Gregor gesprochen haben soll, eine Kapelle
und ließ dafür einen prunkvollen Altar errichten; der Schmuck der Kapelle scheint im Jubiläumsjahre
xxvi. 21
Fig. 68.
Annibale Carracci, Federzeichnung zum heil. Gregor
im Bridgewaterhouse.
Windsor.