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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 26.1906/​1907

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I. Theil: Abhandlungen
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Tietze, Hans: Annibale Carraccis Galerie im Palazzo Farnese und seine römische Werkstätte
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https://doi.org/10.11588/diglit.5946#0174
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i66

Hans Tietze.

der andere weist schmerzerfüllt auf das Wundmal des linken Fußes; links in der Ecke liegen die Dornenkrone
und mehrere verbogene Nägel.

Auch die Putten sind den Amoretten von Chantilly ganz gleich. Das Bild hat wieder einen röt-
lichen Gesamtton, aus dem die Lokalfarben grell heraustauchen; die Formen sind hart und sehr plastisch
(siehe z. B. die Köpfe der beiden Frauen und alle Hände) und die Komposition ist kaum glücklich zu
nennen. Annibale hat den Gegenstand ja mehrmals behandelt, zuerst um 1586 im direkten Anschluß
an Correggio (Bild Nr. 169 der Pinakothek in Parma), 1597 noch immer stark correggesk (Stich B 4
Le Christ de Caprarole), endlich gegen Ende seines Lebens, zu voller Reife gelangt (Bild «Die drei

Fig. 72. Dominichino, Danae.
London, ßridgewaterhouse.

Marien» in Castle Howard);1 die Komposition ist jedesmal völlig verändert, aber jedesmal sinnvoll
und überlegt, nie ein bloßes Nebeneinanderstellen von Figuren, die die Lücken der Komposition durch
heftige Gebärden und leeres Pathos überdecken sollen. Unter den späten Werken Annibales wird noch
eine Pietä genannt, die er für den Kardinal Farnese gemalt haben soll; es ist das Bild Nr. 82 der Ga-
lerie Doria in Rom, ein schwaches Schulbild, dessen Autor bei dem jetzigen Zustande des stark nach-
gedunkelten und übermalten Bildes nicht erkennbar ist.2

Dagegen ist die Danae (Fig. 72), die Prinz Camillo Pamfili der Königin von Schweden schenkte
und die dann nach langer Wanderung durch die Sammlungen Orleans, Stafford-House endlich im
ßridgewaterhouse (Nr. 101) zur Ruhe kam, ein charakteristisches Bild Dominichinos, das er noch in der
Werkstatt seines Lehrers gemalt hat, und mag als Abschluß dieser Serie von Bildern dienen, die von
Dominichino nach Zeichnungen Annibales ausgeführt wurden.3

1 Das Bild desselben Gegenstandes Nr. 482 im Wiener Hofmuseum steht nur in einem losen Verhältnis zur Werkstatt
Annibales.

2 Noch geringere Wiederholungen im Museum in Neapel und bei Lord Northbrook.

3 Bellori, p. 47. Eine Vollständigkeit in der Aufzählung ist hier nicht angestrebt, da mir eine Beschreibung zahlreicher
geringerer Bilder, von denen ich keine Abbildungen geben kann, überflüssig erscheint; die wichtigsten Kennzeichen glaube
 
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