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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 26.1906/​1907

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I. Theil: Abhandlungen
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Suida, Wilhelm: Die Spätwerke des Bartolommeo Suardi, genannt Bramantino
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https://doi.org/10.11588/diglit.5946#0305
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Wilhelm Suida.

nicht in Leonardos Schaffen, wenn er auch zeitweise versucht, sich dessen Sfumato zu nähern, wobei er
ins übermäßig Helle, Verblasene gerät (Porträt des Archinto und des kleinen Francesco Sforza).

Auch Bernardino de'Conti, der sich an Begabung mit Preda nicht messen kann, zeigt sich im
Porträt noch am vorteilhaftesten, ist in größeren Kompositionen mit leonardesken Typen ganz matt
und ungeschickt (Verkündigungsaltar in der Madonna del Sasso in Locarno, freie Kopie der Madonna
in der Felsgrotte in der Brera von 1522).

Nach 1490 treten dann mehrere jüngere Talente auf den Plan, die, hochbegabt und empfänglich, das
Studium von Leonardos Werken schon zu den entscheidenden Jugendeindrücken zählen konnten. Einer
von ihnen war Bramantino. Mit ihm etwa gleichalterig war Andrea Solario, dessen Frühwerke auf
längeren Aufenthalt in Venedig sowie Kenntnis der niederländischen Kunst schließen lassen. Von den
Flamen hat er seine Technik erlernt, den fein verschmolzenen Auftrag der kräftigen, leuchtenden Farben,
die wächserne Glätte und die säuberliche zeichnerische Durchführung bis in alle Details. Von diesen beiden
selbständig, zum Teile auch unter anderen Einflüssen herangebildeten Meistern unterscheiden sich drei
Maler, die in Leonardos Atelier arbeiteten: Andrea Salaino, Giovanni Antonio Boltraffio und
Marco d'Oggionno. Von des Ersten Werken wissen wir nichts; er war 1494 schon in Leonardos Ate-
lier. Boltraffio (1467—1516) tritt erst nach 1500 selbständig auf. Die seelenvolle Größe Leonardos
wird bei ihm zur etwas kalten Monumentalität. Marco d' Oggionno schwelgt in seinen Jugendwerken
in der innigen Lieblichkeit, die ihm die Natur gegeben, malt die entzückende Madonna, die von Charles
Loeser an Lord Salting kam, sowie den Salvator mundi der Morelligalerie in Bergamo, die beide fälsch-
lich Boltraffio zugeschrieben werden, verfällt aber später, als die Quelle seines jugendlichen Enthu-
siasmus versiegt, einem kraftlosen, höchst unerfreulichen Manierismus, zu dessen Fortsetzer sein Schüler
Niecola Appiani wird. Von den drei genannten Leonardoschülern darf man jedenfalls behaupten,
daß sie die vor 1500 geschaffenen Werke Leonardos zum Ausgangspunkte ihrer Bestrebungen nahmen.

Anders verhält es sich mit einigen Malern, deren Wirken zur Zeit von Leonardos zweitem Aufent-
halte in Mailand (1507—1512) beginnt und die daher an dessen Spätwerke anknüpfen: Francesco
Melzi, Cesare da Sesto und Giampietrino. Melzi (1493—1571) malt unter Leonardos Augen, voll-
endet Bilder, die der gealterte, von Gicht geschwächte Meister nicht mehr fertigstellen kann. Die Pomona
in Berlin, die Colombine in Petersburg und die Leda der Borghesegalerie möchte ich auf ihn zurückführen.
Cesare da Sesto (f 1521) hat außer Leonardos Werken die durch sie zur Reife gebrachte römische
Kunst Raffaels studiert, um endlich in der Lombardei als begabtester Nachahmer des Spätstiles des
Meisters die durch das Sfumato erreichbaren Feinheiten der Modellierung des Körperlichen nach der
Richtung der präzise plastischen Wirkung bis zur äußersten Grenze durchzubilden. Er verband sich mit
dem von den Niederländern beeinflußten Landschafter Bernazzano zu gemeinsamer Arbeit. Giam-
pietrino, dessen meiste Arbeiten wohl schon in das dritte Jahrzehnt des XVI. Jahrhunderts fallen, be-
schränkt sich bei ähnlichen Zielen wie Cesare, aber bei schwächerer Begabung, auf ein viel engeres Ge-
biet, zumeist Halbfigurenbilder, die häufig kopierte und variierte Modeartikel wurden.

Drei Meister bleiben uns noch zu betrachten übrig, die im künstlerischen Leben Mailands eine be-
deutsame Rolle spielen: Giovanni Antonio Bazzi (1477—1549), Bernardino Luini und Gau-
denzio Ferrari.

Uber des ersteren Tätigkeit in der Lombardei ist ein Schleier gebreitet. War er als fertiger Meister
hier längere Zeit tätig? Seine Beziehung zu Leonardo wird durch die Komposition des Madonnenbildes
der Brera und die Darstellungen der Leda, abgesehen von einzelnen Typen, sicher bewiesen. Bernar-
dino Luini hat sehr konsequent seine schöne, aber beschränkte Begabung zur Reife gebracht. Aus dem
Atelier des Ambrogio Bergognone trat er zu Bramantino über und erscheint als dessen Gehilfe bei der
Ausschmückung der Pelucca, auf die wir noch etwas genauer zurückzukommen haben werden. Er lebt
sich dann immer mehr in die Schönheitswelt Leonardos ein, studiert noch insbesondere die Stiche des
Marc Anton nach Raffael, wenn er nicht in Rom selbst war, und gelangt endlich in den zwanziger Jahren
des XVI. Jahrhunderts auf die Höhe seines Könnens, zu jenen von herrlichster Schönheit erfüllten ruhe-
vollen Gestalten, die jedem Besucher des Monastero Maggiore (um nur ein Beispiel zu nennen) unver-
 
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