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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 26.1906/​1907

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I. Theil: Abhandlungen
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Suida, Wilhelm: Die Spätwerke des Bartolommeo Suardi, genannt Bramantino
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https://doi.org/10.11588/diglit.5946#0363
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352

Wilhelm Suida.

des Theoderich in Ravenna, und auf die Gruftkirchen der romanischen Basiliken zurückgreifen müssen,
um einen ähnlich konzentrierten Stimmungsgehalt des Grabmonumentes zu finden. Bramantinos Bau
steht daher dem geistigen Ausdrucke nach in äußerstem Gegensatze zu jenen Bauten, die für die Form
der Anlage bis zu einem gewissen Grade vorbildlich waren, etwa der Sakristei von S. Satiro und anderen
bramantesken Zentralbauten. Diese Tatsache ist vor allem zu betonen, bevor die Details beurteilt werden.
Und haben wir erkannt, daß die künstlerische Absicht eine völlig andere war, so werden wir den Bau
nicht mehr absonderlich finden, sondern ihn eine ebenso deutliche als für den Geist des Künstlers cha-
rakteristische Ausdrucksform nennen dürfen.

In den Sarkophagen sind der Marschall Giangiacomo, dessen Vater und des Marschalls direkte
Deszendenz beigesetzt worden. Wann die Porträtliegestatuen ausgeführt wurden, berichtet uns keine

Inschrift. All diese Liegestatuen
sind von unten nur wenig in Über-
schneidung sichtbar und deutlich
auf diese Untersicht berechnet.
Man kann sagen, es sind frühe
Beispiele einer auf perspektivische
Täuschung berechneten Skulptur.
Sehen wir dieselben Statuen von
oben, so wirken sie unschön, ja bei
den flüchtiger bebandelten Stücken
sind die von unten doch nicht oder
kaum sichtbaren Teile überhaupt
vom Bildhauer gar nicht ausgeführt
worden. Nun sind aber die den bei-
gegebenen Illustrationen zugrunde
liegenden photographischen Auf-
nahmen nur von einem etwas er-
höhten Platze aus möglich gewe-
sen, geben also eine falsche, der
künstlerischen Absicht widerspre-
chende Ansicht von den Denk-
mälern.

Dem Haupteingange gegen-
über befindet sich über der zur
Kirche führenden Tür der Sarko-
phag des Marschalls: 10 • IACO-
BVS • MAGNVS TRIVLTIVS • ANTONII • FILIVS • QVI • NVNQVAM QVIEVIT • QVIESCIT • TACE •
Das lorbeerbekrönte Haupt Giangiacomos ruht auf einem Harnisch, die Rechte hält den Marschall-
stab. Rechts von ihm ist seine erste Gemahlin Margherita Colleoni (Fig. 33) bestattet: MARGARITA-
COLLIONEA • MAGNI .TRIVLTII -VXOR-PRIMA • Die Haltung der Gestalt ist eine sehr ruhige,
die Fältelung des Gewandes in vielen parallelen Kurvenlinien erinnert an die Manier eines Bambaja
und Fusina, die Kanten scheinen aber härter. Denselben Stil zeigen dann noch die auf der linken Seite
befindlichen Statuen des Sohnes Giangiacomos, Niccolö, und seiner Gattin (Fig. 34). Die Inschriften
an deren Sarkophagen lauten: 10 • NICOLAVS • MAGNI • TRIVLTII • FILIVS • VNICVS . ET-COMES.
MUSOCHI • und: PAVLA ■ GONZAGA ■ COMITISSA • MVSOCHI • 10 • NICOLAI • MAGNI • TRI-
VLTII • FILII • VXOR.

Einer viel späteren Zeit gehören dann die manieristischen und künstlerisch belanglosen Figuren
auf den Sarkophagen der noch übrigen vier Nischen an, die der Inschrift auf einem derselben zufolge
Gio. Francesco, der Sohn Niccolös, zu seinen Lebzeiten ausführen ließ. Die Statuen dienen dem Andenken

Fig. 49. Meister der Agneslegende in S. Teodoro zu Pavia,
Studie zum Kopf der heil. Agnes, Kreidezeichnung.

Mailand, Ambrosiana.
 
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