36o
Wilhelm Suida.
in Kompositionsweise und Faltengebung an die Art Suardis in den Typen von Leonardo nicht unbe-
einflußt ist und ein von Suardi völlig verschiedenes Kolorit aufweist. In einem oberen Räume des lange
als Kaserne verwendeten Klosters von S. Maria delle Grazie sieht man ein Fresko der Madonna, die in
rotem Gewände mit grauem Mantel ganz en face vor uns steht. Das Christkind wendet sich zu Maria
Magdalena (in rotgelbem Kleide mit karminrotem Mantel), eine andere Heilige (in rotgelb und grün
gekleidet) steht links. Unterhalb bemerken wir mehrere Profilporträte von Dominikanermönchen. Die
Köpfe mit auffallend großen Ge-
sichtsteilen lassen die grüne Unter-
malung in den Schattenpartien, gelbe
und rötliche Töne im Lichte her-
vortreten.
In der Chornische der alten
Kirche S. Christoforo sul naviglio
bei Mailand findet man weitere Spu-
ren von des Künstlers Tätigkeit. Es
sind vier zum Teile von der Tünche
noch nicht ganz befreite Figuren
stehender Heiliger, über denen Put-
ten schweben. Die breite und ein-
fache Behandlung der Gewänder,
bei denen rotgelbe, grüne und dun-
kelrote Farben vorherrschen, die
starken, straffen Körperformen, die
Karnation in gelben und bräunlichen
Tönen, durch welche die grüne
Untermalung in den Schattenpartien
durchscheint, sind Züge, welche wir
schon in S. Maria delle Grazie
fanden.
In der alten Benediktiner-
kirche, die jetzt zum Nonnenkloster
und Hospital in Via Lanzone gehört,
findet man zahlreiche Fresken aus
verschiedenen Zeiten. In der Wöl-
bung der Apsis sieht man die Evan-
gelistensymbole aus dem XIV. Jahr-
Fig. 57. Bernardino Luini, Freskobruchstück aus der Villa Pelucca. hundert und aus derselben Zeit
London, Waiiace Collection. die Kreuzigung an der Altarwand.
Von verschiedenen Künstlern des
XV. Jahrhunderts sind dann die rechte und linke Wand der Apsis ausgemalt. Andere Bilder an den
Längswänden der Kirche sind im Stile Bergognones gehalten; besonders interessant in unserem Zu-
sammenhange ist ein leider nicht sehr gut erhaltenes Gemälde an der rechten Längswand, das die Flucht
der heiligen Familie in der uns aus Locarno bekannten Komposition darstellt und zweifellos von unse-
rem Bramantinoschüler herrührt. Eine thronende Madonna mit der heil. Agnes an der linken Längs-
wand stammt vielleicht von demselben Künstler.
Es ist sehr wahrscheinlich, daß dieser Mailänder Freskomaler identisch ist mit jenem, der im Ge-
folge Bramantinos nach Locarno kam und dort im Jahre 1522 in der Annunziata das früher erwähnte
Madonnenfresko (Fig. 16) malte. Typen und Farbengebung sind hier sehr ähnlich. Auch das Fresko
in Campione, das Gerspach in «L'Arte» unter dem Namen Bramantinos (?) publiziert hat, gehört
Wilhelm Suida.
in Kompositionsweise und Faltengebung an die Art Suardis in den Typen von Leonardo nicht unbe-
einflußt ist und ein von Suardi völlig verschiedenes Kolorit aufweist. In einem oberen Räume des lange
als Kaserne verwendeten Klosters von S. Maria delle Grazie sieht man ein Fresko der Madonna, die in
rotem Gewände mit grauem Mantel ganz en face vor uns steht. Das Christkind wendet sich zu Maria
Magdalena (in rotgelbem Kleide mit karminrotem Mantel), eine andere Heilige (in rotgelb und grün
gekleidet) steht links. Unterhalb bemerken wir mehrere Profilporträte von Dominikanermönchen. Die
Köpfe mit auffallend großen Ge-
sichtsteilen lassen die grüne Unter-
malung in den Schattenpartien, gelbe
und rötliche Töne im Lichte her-
vortreten.
In der Chornische der alten
Kirche S. Christoforo sul naviglio
bei Mailand findet man weitere Spu-
ren von des Künstlers Tätigkeit. Es
sind vier zum Teile von der Tünche
noch nicht ganz befreite Figuren
stehender Heiliger, über denen Put-
ten schweben. Die breite und ein-
fache Behandlung der Gewänder,
bei denen rotgelbe, grüne und dun-
kelrote Farben vorherrschen, die
starken, straffen Körperformen, die
Karnation in gelben und bräunlichen
Tönen, durch welche die grüne
Untermalung in den Schattenpartien
durchscheint, sind Züge, welche wir
schon in S. Maria delle Grazie
fanden.
In der alten Benediktiner-
kirche, die jetzt zum Nonnenkloster
und Hospital in Via Lanzone gehört,
findet man zahlreiche Fresken aus
verschiedenen Zeiten. In der Wöl-
bung der Apsis sieht man die Evan-
gelistensymbole aus dem XIV. Jahr-
Fig. 57. Bernardino Luini, Freskobruchstück aus der Villa Pelucca. hundert und aus derselben Zeit
London, Waiiace Collection. die Kreuzigung an der Altarwand.
Von verschiedenen Künstlern des
XV. Jahrhunderts sind dann die rechte und linke Wand der Apsis ausgemalt. Andere Bilder an den
Längswänden der Kirche sind im Stile Bergognones gehalten; besonders interessant in unserem Zu-
sammenhange ist ein leider nicht sehr gut erhaltenes Gemälde an der rechten Längswand, das die Flucht
der heiligen Familie in der uns aus Locarno bekannten Komposition darstellt und zweifellos von unse-
rem Bramantinoschüler herrührt. Eine thronende Madonna mit der heil. Agnes an der linken Längs-
wand stammt vielleicht von demselben Künstler.
Es ist sehr wahrscheinlich, daß dieser Mailänder Freskomaler identisch ist mit jenem, der im Ge-
folge Bramantinos nach Locarno kam und dort im Jahre 1522 in der Annunziata das früher erwähnte
Madonnenfresko (Fig. 16) malte. Typen und Farbengebung sind hier sehr ähnlich. Auch das Fresko
in Campione, das Gerspach in «L'Arte» unter dem Namen Bramantinos (?) publiziert hat, gehört