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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 26.1906/​1907

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I. Theil: Abhandlungen
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Suida, Wilhelm: Die Spätwerke des Bartolommeo Suardi, genannt Bramantino
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https://doi.org/10.11588/diglit.5946#0379
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368

Wilhelm Suida.

ein ganz frühes Werk Luinis dürfen wir vielleicht auch das gewöhnlich dem Bergognone selbst, von Bel-
trami1 größtenteils seiner Schule zugeschriebene Fresko in S. Ambrogio in Mailand mit der Darstellung
des zwölfjährigen Christus inmitten der Schriftgelehrten im Tempel auffassen. Noch an einer Serie von
Tafelbildern, welche zweifellos dem Bergognone in Auftrag gegeben und größtenteils von ihm in eben
jenen Jahren ausgeführt worden sind, Christus und den zwölf Aposteln in S. Maria della Passione,

hat Luini mitgearbeitet. Besonders
f|j7 ; Ji eine Tafel mit der Gestalt eines
jugendlichen, bärtigen Apostels
(4. Kapelle, links) verrät deutlich
den Stil Luinis und einige andere
Gestalten, z.B. der Johannes, sind
demselben durchaus verwandt.

Der Eindruck von Leonardos
Werken, der ja auch schon bei
Bergognone deutlich zu fühlen ist,
mußte von Anfang an auch auf den
jungen Luini bestimmend einwir-
ken. Gleichsam unwillkürlich ist
Leonardos Schönheitsideal für die
Mailänder Künstler in jener Zeit
maßgebend geworden.

Als nach Leonardos Weg-
gang Bramantino den ersten Platz
unter den Malern der Stadt ein-
nahm, schloß sich Luini ihm an.
Die entzückenden Wandgemälde
aus der Villa Pelucca bei Monza
geben uns den deutlichsten Beweis,
wie stark der Eindruck von Bra-
mantinos Kunst auf den jungen
Luini war. Wie wir vermuten, war
Bramantino durch seine Berufung
nach Rom an der Ausmalung der
Pelucca verhindert worden und
Luini übernahm die Arbeit.2 Die
auffallendsten Anklänge an den
Stil Bramantinos finden sich, wie
bereits erwähnt wurde, in der «Ge-
burt des Adonis» (Fig.' 53) und
den «drei spielenden Mädchen»

(Fig. 54) sowie einem Bruchstücke mit zwei Köpfen (Fig. 55; alle in der Brera). Auch die Art der
Gewandbehandlung erscheint durchaus von Bramantino beeinflußt und die mit Vorliebe angebrachten
Verkürzungen, die besonders bei dem Tode der Erstgeburt auffallen, weisen auf die theoretischen Inter-
essen des Lehrers. Der unerschöpfliche Zauber und die Anmut dieser Jugendwerke Luinis spricht sich

Fig. 63. Gaudenzio Ferrari, Verkündigung an die Heiligen Joachim und Anna,
Fresko aus S. Maria della Pace.

Mailand, Brera.

1 Beltrami, «Ambrogio Fossano detto il Bergognone», Milano 1895.

2 Diese von mir zuerst («Jugendwerke», S. 57) ausgesprochene Ansicht wiederholt F. Malaguzzi Valeri, ohne mich
zu zitieren, in einem Aufsatz «I dipinti del Luini concessi dal Re alla Pinacoteca di Brera» (Milano 1906). Wenn Malaguzzi
(S. 2) die Ansicht ausspricht, alle sieben uns erhaltenen Putten im Weinlaub seien von Bramantino gemalt, so irrt er darin
sicherlich. Von Bramantino stammt nur der eine Putto, der seit langem Eigentum der Brera ist.
 
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