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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 26.1906/​1907

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I. Theil: Abhandlungen
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Weixlgärtner, Arpad: Ein Prunkschrank des Prinzen Eugen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5946#0400
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Ein Prunkschrank des Prinzen Eugen.

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zuströmende Verpflegung mustern. Die Mehrzahl der Leute kannte den Krieg, alle waren von unbe-
dingtem Vertrauen auf ihren Führer erfüllt und drängten mit der Gewißheit des Sieges zum Kampfe.
Ende Juli überschritt der Großvezier Damar Ali mit mehr als 200.000 Mann die Donau und näherte
sich der kaiserlichen Stellung.»1 Obwohl sämtliche Stimmen in Eugens Kriegsrat für die Defensive
waren, griff er dennoch die türkische Ubermacht frühmorgens am 5. August kühn entschlossen an und
«. . . bereits am Mittag war alles entschieden, der Großvezier todt, das feindliche Heer zersprengt, eine
unermeßliche Beute gewonnen. Die unmittelbare Frucht des Sieges war die von Eugen lang ersehnte
Eroberung des Banates, dessen Hauptstadt Temeswar nach tapferem Widerstande am 17. Oktober ca-
pitulierte. Aber dabei blieb die Einwirkung von Eugens Waffenglück nicht stehen. Die christliche
Landbevölkerung des türkischen Reiches ertrug die Herrschaft der Osmanen damals so widerwillig wie
heute» (1861!) «und hatte in jener Zeit noch nicht gelernt, auf Rußland als nächsten christlichen Ge-
nossen ihre Blicke zu richten oder in dem römisch-katholischen Osterreich einen confessionellen Gegner
zu sehen. Vielmehr erblickten sie auch in diesem einfach eine christliche Macht, deren Waffen sich
ihren Grenzen nahten, und weithin durch die Balkanhalbinsel knüpften sich an den Namen Eugens die
Hoffnungen der Raja. Die Bischöfe Albaniens sandten zu ihm um Befreiung vom mohamedanischen
Joche, in den Kirchen der Walachei betete das Volk um seine Erlösung durch die Ankunft der Deut-
schen. Eugen ergriff mit Nachdruck die Aussichten, die sich an diese Bewegung knüpften; jenen Bi-
schöfen sandte er ermunternde Zusicherungen und hielt den ganzen Winter hindurch die Hoffnungen
der Raja durch unablässige Streifzüge nach Bosnien, Serbien, der Walachei lebendig.»2

Aber auch an äußeren Erfolgen fehlte es dem Sieger von Peterwardein nicht. Können hier die
lebhafte Freude des Kaisers, der, seiner sonstigen Gravität vergessend, dem Siegesboten Graf Kheven-
hüller raschen Schrittes entgegenkam, die frohe Aufregung der Wiener sowie der Jubel in Rom, wo
Papst Klemens XL, «so lange Zeit dem Hause Österreich wenig geneigt», alle Glocken läuten und die
Stadt illuminieren ließ, füglich mit Stillschweigen übergangen werden, so dürfen Hut und Degen, vom
Papst eigenhändig geweiht und dem Prinzen «mit freudiger Zustimmung aller Kardinäle als Anerken-
nung hervorragenden kriegerischen Verdienstes um die Christenheit und die katholische Kirche» ver-
liehen,3 nicht unerwähnt bleiben, da sich beides, wie schon bemerkt wurde, auf der Zeichnung im
Innern des Schrankes dargestellt findet.

Diese Auszeichnung war zwar dadurch, daß sie im Laufe der Zeit etwas wahllos verliehen wurde,
einigermaßen entwertet worden, schien aber nun, da sie den Würdigsten traf, ihre ursprüngliche Be-
deutung wiedergewonnen zu haben. Wenigstens muß die Wirkung des geweihten Hutes und Degens
auf die Zeitgenossen, aus den zahlreichen Beschreibungen4 und Abbildungen5 zu schließen, eine ziem-

1 Sybel, a. a. O., S. 91. 2 Sybel, a. a. O., S. 92 und 93.

3 Arneth, a. a. O., S. 401 und 402 und Anm. 3i und 32.

4 Ausführliche Schilderung der Zeremonie und Mitteilung des Wortlautes des päpstlichen Breves sowie von Eugens
Dankschreiben in den Urtexten und in Übersetzungen in der französischen (V, 1750, p. 53 ff. und p. 93 ff.) und in der ita-
lienischen Geschichte des Prinzen (IV, 1789, p. 298 ff. und p. 340 ff.). Beide Darstellungen basieren auf der von Arneth
(a. a. O. II, S. 524, Anm. 48) zitierten und von mir wieder im Original eingesehenen offiziellen Relazione im Kriegsarchiv,
die aber keine Beschreibung der beiden Gegenstande gibt, wie man nach Arneth erwarten möchte. Da Heinrich Modern in
seiner Abhandlung «Geweihte Schwerter und Hüte in den kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses» in
diesem Jahrbuch, 1901, XXII, 127 ff., wenigstens so viel ich sehe, des Eugen verliehenen geweihten Hutes und Degens keine
Erwähnung tut und es vielleicht gerade hier interessiert, zu erfahren, wie die beiden heute verschollenen Gegenstände ausge-
sehen haben, so gebe ich im folgenden nach der französischen Geschichte des Prinzen (V, 1750, p. 94) ihre Beschreibung:
«Le Bonnet etoit de couleur violette double' & reborde d'hermine. Sur le devant il y avoit un Saint Esprit en forme de Co-
lombe formte par de petites perles artistement place"es, & aux deux cötes du dedans e"toient deux rubans d'or, le cordon etoit
pareillement tissu d'or. Au-dessus etoient trois petites perles tres-fines. L'Epee longue de plus de quatre pieds, et la poignee
seule avoit plus de dix pouces de long. La garde en etoit d'argent, pesoit autour de sept livres. La lame avoit deux pouces
& demi de large. Le fourreau etoit de velours rouge, de meme que le ceinturon.» In Arneths im allgemeinen weitaus knap-
perer Beschreibung (a. a. O. II, S. 410), deren Quelle er verschweigt, findet sich die Angabe, daß am Schwertgriff das Wappen
des Papstes angebracht war, was z. B. durch die Titelvignette von Passioneis Leichenrede, einen sauberen Stich von J. J. Se-
delmayr nach A. D. Bertoli, bestätigt wird.

5 Solche finden sich außer den bereits erwähnten auf dem Porträtstich von 1718, auf Huchtenburgs Darstellung der
Schlacht von Peterwardein und in Passioneis Orazione in morte z. B. in dem schon zitierten Buche Dolfins sowohl auf dem

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