Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 27.1907-1909

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Bürkel, Ludwig von: Francesco Furini
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5947#0091
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
84

Ludwig v. Buerkel.

vielleicht nicht befriedigen, daß die liebreizende Sybille mit der Linken eine Vase umfängt, daß ihr
Mantel in majestätischem Wurf, ohne äußere Veranlassung in den Lüften schwebt oder auch daß das
Zauberbuch schon vom Steintische fällt oder fallen muß. Furini aber wußte recht wohl, warum er
diese Unwahrscheinlichkeiten unbedenklich bieten durfte. Die Hand, welche die Vase umfängt, ist
von einem sinnlichen Reize ohnegleichen, der Schatten, welchen die Vase auf den Arm wirft, kann so
nur einem Gottbegnadeten gelingen; auf dem Blau des unwahrscheinlichen Mantels hebt sich der üppig
blühende, blendende Körper der schönsten Frau ab und die Unruhe der Zutaten links vollbringt eine

vorzügliche farbige Bewegung. Es hat
wenige gegeben, die einen so wunder-
baren Körper malen konnten, und das
Verdienst dieses Könnens ist nicht zu be-
streiten. Nur das, was der Geschmack
der Zeit forderte, kann uns stören; male-
risch ist das Bild grandios; wie Licht und
Schatten auf dem Fleische fließt, ist von
unbeschreiblicher Delikatesse.

Im Typus der vollen Frau erkennen
wir die Verwandtschaft mit den Frauen
der Fresken. Nicht wie in früher Zeit hat
der Maler porträtgetreu die Züge seiner
Modelle wiedergegeben; er hat sich ein
formschönes Ideal gebildet, dessen An-
fänge aber schon in den Pitti-Fresken zu
erkennen sind. Auffallend ist die Ausge-
staltung der Hände. Sie sind noch fleischi-
ger als früher, die Finger aber von unwahr-
scheinlicher Dünne. Den vollen Händen
entspricht der volle Körper, der ideal
schön genannt werden muß. Die Pose ver-
leitet den Maler nicht, auf die Wieder-
gabe der höchsten Reize eines blühenden
Frauenkörpers zu verzichten. Fein be-
rechnet, in höchster Delikatesse, fällt eine
Strähne ihres Haares auf die Schulter,
das rote Licht vollführt das reizendste
Spiel auf dem weißbläulichen Fleische;
Lucca, Pinacoteca. eine Reihe von vier Perlen ist reizvoll ein-

geflochten. Auf der Basis, welche die Vase
trägt, ist ein Relief gemalt. Giovanni da San Giovanni, des Malers Freund und Zeitgenosse, war der
vielbewunderte Meister gemalter Plastik mit Schattenwurf; Furini hat in der Sala des Palazzo Pitti
sich erstmals auch in dieser Kunst versucht.

Das gewaltige Können, das in diesen Bildern zum Ausdrucke kommt, hat eine große Übung zur
Voraussetzung. Es mag ein Zufall sein, daß mir aus dieser späten Zeit so wenige Bilder bekannt ge-
worden sind. Sicherlich sind auch noch viele solcher Werke vorhanden. Die wundervolle Erhaltung der
beiden Bilder spricht für einen bedeutenden Fortschritt auch der technischen Erfahrung. Es dürfte
darum auch weniger zugrunde gegangen sein.

Einige kleinere Bilder der späten Zeit kann ich noch anreihen. Der neue Katalog der National-
galerie von Budapest bringt ein reizendes Ovat Furinis, dem Bilde von Lucca aufs engste verwandt,
das dort unter dem Namen «Allegorie von Romney» einen zu guten Begriff von englischer dekorativer
 
Annotationen