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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 28.1909-1910

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I. Theil: Abhandlungen
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Röttinger, Heinrich: Breu-Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5949#0068
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Breu-Studien.

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In seinen Beiträgen zur Kenntnis des Holzschnittwerkes Jörg Breus hat C. Dodgson vier im Besitze
des Britischen Museums befindliche Schnitte aus den späteren Jahren des Meisters zuerst in die Literatur
eingeführt. Die signierte Schlacht bei Pavia von 1525 stellte er dabei in einen gewissen Gegensatz zu den
anderen, indem er bemerkt, das Blatt sei eher mit dem Zyklus der Federzeichnungen für den Kaiser
Maximilian und mit den Schnitten ausden Jahren 1515 — I5i6,als mit den Illustrationen ausden Dreißiger-
jahren zu vergleichen, wobei er die von W. Schmidt gefaßte und nunmehr als Werk des Sohnes erkannte
Gruppe im Auge hatte. Die Beobachtung ist völlig richtig: das Parisurteil (Hschw. 56, mit Abb.), der
reiche Prasser und der arme Lazarus (Hschw. 55, mit Abb.) und die lustige Gesellschaft in
Venedig (Hschw. 61, Taf. XII) — dem Gothaer Exemplare ist der Titel eines «Panketts», mit dem
ich es fortan bezeichne, aufgedruckt — rühren nämlich gleichfalls vom Sohne her.1

Auch diese drei Blätter sind untereinander nicht ganz gleichartig. Dem 1535 datierten Lazarus
folgt unmittelbar das Parisurteil,2 in einem größeren Abstände erst das Bankett. «Trotz der großen Um-
wandlung,» sagt Dodgson vom Lazarus und vom Vater Breu, «welche des Meisters Stil im Laufe von
zwanzig Jahren durchgemacht hat, erkennt man wieder im Gesichte des Jägers mit der Armbrust den
Typus eines Schergen in der Geißelung von 1515 und mehrere Gesichter sind noch mit eigentümlichen
Strichlagen schattiert wie in der früheren Zeit.» Die Ähnlichkeit ist tatsächlich vorhanden und steht
nicht allein; der fliehende Lazarus z. B. stimmt zur zweiten Figur der ersten Reihe des Schnittes von
dem Reich- und wieder Armgewordenen des Vaters Breu.3 In diesen Typen spiegelt sich sein Vorbild
ebenso wieder wie in der vom Sohne übernommenen Gepflogenheit, über Gesichter zuweilen eine Lage
von Schraffen zu legen (Justinus fol. 68' und 99', Knecht 35 der De Negker-Reihe). Ja auch daß die schöne
Jägergruppe um den Hirschen einem Scheibenrisse entstammt, den der Vater für den alten Kaiser ent-
worfen hatte, halte ich gar nicht für ausgeschlossen. Dagegen stelle ich folgende unzweifelhafte Spuren
der Hand des Sohnes fest. Die Gestalten der Jäger rechts und links von den um den Hirsch Beschäftig-
ten sowie die Jäger unter dem Täfelchen vergleiche man mit den De Negkerschen Landsknechten,
besonders die Beine des bekränzten unter der Tafel mit denen des Knechtes 18, den Typus des Weid-
manns, der den linken Vorderlauf des Hirsches behandelt, mit dem ersten Gesandten vor Soleyman:
Curipeschitz fol. G4, den bärtigen Mann hinter den drei Musikanten mit dem Mahomet: Barlatius 133'
oder dem reitenden Kaiser Karl von 1536, den fliehenden Lazarus mit dem Boten vor Pausanias: Thuky-
dides 3o', seinen Bedränger mit dem Hofmanne rechts fol. 68' des Justinus, endlich die Pferde mit denen
des Thukydides 34' oder des Curipeschitz D4 und die Bäumchen des Blattes mit denen Barlatius 98'.

Deutlicher als an den relativ kleinen Figuren des Lazarusblattes wird an dem anschließenden Paris-
urteile der von der Art des Vaters weit entfernte großzügige Strich des Entwurfes. Daneben weist das
Blatt auch formale Einzelheiten auf, die der Formensprache des Vaters fremd sind: die eigentümlichen
Blattpflanzen des Vordergrundes, die elegante Gestalt des Paris und insbesondere die weiblichen Akt-
figuren. In des Vaters seltenen Bildungen der Art, z.B. in der Eva der Titelumrahmung von 1522,4 äußert
sich ein wesentlich anderes Schönheitsgefühl. Natürlich waren es italienische Vorbilder, die dem Sohne
beim Entwürfe der drei Göttinnen vor Augen schwebten.5 Die Verarbeitung dieser Vorbilder erfolgte
aber bereits im Sinne eines Formgefühls, das in der Folgezeit Ammans und Goltzius' Kunstübung kenn-
zeichnete. Dagegen treten die wenigen positiven Belege für die Hand des Sohnes, die Ubereinstimmung
des Pferdekopfes mit denen Justinus 66' und die des Busches hinter den Göttinnen mit dem Barlatius 52'
an Bedeutung zurück.

1 Die Schlacht bei Pavia befindet sich auch in Stuttgart, das Parisurteil in der Albertina und das Bankett in Gotha.
Ich nehme hier die Gelegenheit wahr, dem Direktor des Gothaer Museums, Geheimrat K. Purgold, für seine wertvolle Unter-
stützung zu danken. — Das Lazarusblatt kenne ich aus einer guten Photographie, die ich der freundlichen Vermittlung
Dodgsons verdanke.

2 Das Berliner Kupferstichkabinett besitzt eine signierte Zeichnung Erhard Schöns, die mir durch den Schnitt inspiriert
scheint und 1537 datiert ist. Dieser entstand also spätestens im genannten Jahre.

3 Repertorium XXXI, S. 48 fr., Nr. 3. 4 Ebenda, Nr. 5.

5 Vorbilder von der Art etwa, in der sich Caraglios Götterfolge B. (XV, S. 77) 24 fr. bewegt. Jakob Binck hatte sie
schon i53o kopiert.

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