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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 28.1909-1910

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I. Theil: Abhandlungen
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Röttinger, Heinrich: Breu-Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5949#0067
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Heinrich Röttinger.

auf dem Brunnen der Susanna mit der Figur auf dem Schlitten Ferdinands (Flügel), sowie die vollstän-
dige Übereinstimmung des höchst prägnanten Typus der Susanna, der sich sonst weder beim Vater noch
beim Sohne findet, mit dem der von Ferdinand geführten Königin Anna wird sogar die Behauptung
rechtfertigen, die beiden Schnitte seien ungefähr um dieselbe Zeit entstanden. Nun stellt aber die
Schlittenfahrt ohne Frage ein Geschehnis aus der letzten Zeit des Augsburger Reichstages von 1530 dar.1
Obwohl der junge Breu, wie sein 1530 in einem Drucke Steiners bereits verwendetes Alexanderbild er-
weist, den Reichstag in seiner Vaterstadt miterlebte, sind uns doch Zeugnisse seiner Hand dafür nicht
erhalten; aber vom Vater wissen wir, daß er die Anregungen, die ihm das bunte Treiben des Jahres
bot, künstlerisch mehrfach ausnützte. Vergleichen wir nun die Schlittengespanne mit Figuren aus der
Belehnung, z. B. die Schlittenpferde mit den Pferden der drei Reiter rechts unten oder mit dem Pferde
des Adeligen auf dem Einreiten des Kaisers in Augsburg, so wirkt die Übereinstimmung überraschend
(Haltung und Bildung des Kopfes, der Beine, der gehobene Hinterfuß, der eingeknotete Schweif etc.).
Ebenso deckt sich auch die Ornamentik der Schlitten mit der des kaiserlichen Baldachins auf der Be-
lehnung. Ohne Frage liegt der Schlittenpartie eine Zeichnung des alten Breu zugrunde, der der junge
lediglich die Dienerschaft hinzufügte. Die Kleidung des zweiten Paares ist mindestens um ein Jahrzehnt
jünger; auf Hängeärmel, wie sie der erste der vorderen und der zweite der rückwärtigen trägt, stoßen
wir auf der Belehnung nicht ein einziges Mal, hingegen findet der Hosenschnitt des ersten der vorderen
Läufer auf dem Blatte mit dem Fahnenträger von Cleve in Koebels 1540 erschienenen Wappen des heil,
römischen Reiches die vollkommenste Entsprechung (Abb. in Hirths Kulturgeschichtlichem Bilderbuch
II, 809). Die Veranlassung zu der Neubearbeitung einer zehn Jahre alten Skizze des Vaters mag dem
Sohne die Kunde von dem Besuche des Reiches durch den Kaiser im Jahre 1541 geboten haben, der
seit 1532 deutschen Boden nicht mehr betreten hatte.2

Ein weiteres Beispiel: 1536 erschien in Augsburg eine Flugschrift, «Einrit Keyser Carlen in
Rom» betitelt, in der Christoph Scheurl nach italienischen Relationen den Einzug Karls in die ewige Stadt
beschrieb. Das Titelblatt des offenbar einem Nürnberger Preßerzeugnisse nachgedruckten Heftchens ziert
eine vom jungen Breu gezeichnete Abbildung des reitenden Kaisers (Hschw. 57, Fig. 20). Ähnlichkeit ist
nicht einmal angestrebt, was auffällt, da die Züge des Kaisers in der ebenfalls 1536 fertiggestellten Be-
lehnung sehr getreu wiedergegeben wurden. Die Figur, Reiter und Pferd, erinnert sofort an das Reiter-
bild des Herrn Andre Ungnad der Belehnung und an das der beiden ihm begegnenden Adeligen. So
deutlich die Hand des Sohnes in der ganzen Strichführung wie in Kopf und Bart des Reiters wird, so
deutlich spricht daraus die Erfindung des Vaters. Man vergleiche das Pferd seiner Erscheinung und
Haltung nach mit dem, auf dem der Euryolus der Translation des Nikolaus von Weil 3 an dem Fenster
seiner Lucretia vorüberreitet (der weit ausgreifende Vorderfuß), oder mit einem der Pferde auf fol. 61'
des Rychenthal (der stark gebogene Hals) oder dem auf dem Theuerdankblatte 3i. Die Pferde des Sohnes
zeigen einen wesentlich anderen Charakter. Die Quelle, aus der der Sohn seinen Kaiser Karl schöpfte,
ist sicher dieselbe, der er die Schlittenpartie entnahm, der Skizzenschatz des Vaters. Hatte der junge Breu
die Übertragung der Schlittengespanne auf den Stock in engem Anschlüsse an die Vorlage etwa durch
Pause bewerkstelligt, so erscheint die Kaiserfigur als freie Nachzeichnung.

1 Wie mir Prof. Dr. Fr. Roth freundlichst mitteilt, hat sich eine Erwähnung der Schlittenfahrt in den Berichten über
den Reichstag nicht erhalten. Doch ergibt sich die Datierung des Vorganges aus äußeren Gründen. Die vier Hauptpersonen
der Schlittenfahrt, Kaiser Karl, König Ferdinand, dessen Gemahlin Anna (der Schlitten Ferdinands ist mit einigen aus den
Buchstaben F und A gebildeten Monogrammen verziert) und die Schwester der beiden Potentaten, die Königin Marie von Böhmen
und Ungarn, deren Person durch die Porträtähnlichkeit (vgl. z. B. die Abb. der von Leoni gearbeiteten Büste Marias im vor-
liegenden Jahrbuche V, 1887, Taf. 8) festgestellt wird, trafen nach lj3o weder in Augsburg, noch, soweit ich sehe, anderwärts
mehr gleichzeitig zusammen. Anfangs 1531 schon begab sich Maria als Regentin nach den Niederlanden; als sie 1550/51
wieder Karl und Ferdinand in Augsburg begegnete, waren sowohl die Königin Anna als auch Jörg Breu der Jüngere nicht
mehr unter den Lebenden.

2 Karl V. verließ das Reich im Herbste 1532 über Wien und betrat es erst wieder in den ersten Tagen des Jänner 1541
bei Metz; vgl. Gachard, Collection des voyages des souverains des Pays-Bas II, p. 102—167.

3 Repertorium XXXI, S. 48 ft'., Nr. 28.
 
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