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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 28.1909-1910

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I. Theil: Abhandlungen
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Röttinger, Heinrich: Breu-Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5949#0069
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Heinrich Röttinger.

Das Gothaer Exemplar des Bankettes unterscheidet sich von dem Londoner dadurch, daß an den
unteren Rand eine aus sechs Schildchen gebildete Leiste geklebt ist, deren letztes den Namen des Druckers
Hans Hofer nennt. Archivsekretär Karl Hirschmann in Augsburg teilt mir freundlichst mit, daß nach
dem Steuerbuch Hans Hofer sich erst 1539, also zwei Jahre nach dem Tode des alten Breu, selbständig
gemacht habe. Hofer könne, wird man vielleicht einwenden, das Gothaer Exemplar auch von einem
bereits einige Jahre alten Stocke genommen haben. Daß aber auch die Zeichnung des Schnittes erst nach
dem Tode des Vaters Breu entstanden sein kann, legt das Wams mit den Hängeärmeln des ersten Tänzers
von links nahe. Im Werke des Sohnes trafen wir zuerst auf die neue Mode in dem Schlittenfahrtblatte,
das ich aus anderen Gründen 1541 datierte. Gegen diese Zeit dürfte auch das Bankett entstanden sein.1
Die Gemeinsamkeit des Urhebers erweist gleichfalls jener Tänzer. Er könnte nach Berichtigung der
Dimensionen den Läufern der Schlittenfahrt angereiht werden, ohne daß das geübteste Auge eine
stilistische Unebenheit zu bemerken imstande wäre. Das überhebt mich, die Bezüge zu den Buch-
illustrationen (z. B. der Baum auf dem Kastell — Barlatius 15'; der hinter den Musikanten — Thuky-
dides 3o'; das Pferd — Justinus 66'; der Nobile am Rande rechts — der venezianische Gesandte Bar-
latius 237' etc.) des weiteren auszuführen.

Zeitlich folgt dem Bankette unmittelbar der Schnitt mit der Geschichte der Susanna, der mit dem
Algierblatte zusammen den Ausgangspunkt der Untersuchung gebildet hatte. Die Tatsache, daß er von
den eben besprochenen Blättern stilistisch ebenso abweicht wie von jenem, ist nicht zu übersehen. Dem
Parisblatte oder Bankette gegenüber ist er rückständig; williger als ihnen reiht er sich den Thukydides-
schnitten an. Die beiden alten Juden haben nur mehr die Gedrungenheit und nichts von der Eleganz der
Landsknechte De Negkers an sich. Der Akt der Susanna steht dem Akte der Frau des Putiphar auf der
Scheibe des Vaters im Bayrischen Nationalmuseum in München (Nr. 158) näher als denen der drei
Göttinnen des Paris. Der Baumschlag des Blattes hat ganz die beim Vater üblichen Formen — im Paris-
blatte waren ungleich freiere zur Anwendung gelangt — und das Motiv der Loggia links hatte schon der
alte Breu in der Münchener Scheibe Nr. 157 verwertet. Die Möglichkeit einer Einwirkung des väterlichen
Nachlasses ist ja auch hier nicht ausgeschlossen. Andererseits kommt aber die Persönlichkeit des Sohnes
vernehmlich genug in den Personen des Mittelgrundes und der Plattform rechts sowie in den Menschen-
und Pferdegestalten, die den Fries dieser Plattform füllen, zu Worte. Das eigentümliche Aussehen des
Susannenblattes ist der Hauptsache nach doch wohl durch die Schwierigkeiten verursacht, welche die
Bewältigung des Formates bot. Es ist die erste großräumige Holzschnittkomposition des Meisters. Das
Bankett war nur eine Erweiterung — daher die langgestreckte Form: der Schauplatz ließ sich nur nach
rechts oder links erweitern; die Auskunft des Vaters, der in der Belehnung an die Szene auch oben und
unten anstückelte, verschmähte der Sohn —, das Parisblatt nur eine Vergrößerung der bisher geübten
kleineren Buchillustration. Die einfache Großzügigkeit der mächtigen Formen des Blattes scheint Breu nicht
befriedigt zu haben. Ihm schien beim Susannenblatte wahrscheinlich künstlerischer wie geschäftlicher
Anstand in gleichem Maße eine reichere Belebung der breiten Flächen durch Details zu fordern. Die
Gefahr, dabei kleinlich zu werden (Grasboden des Gartens), wuchs mit der Sorgfalt, die der Künstler
der Arbeit zu widmen gedachte: ihre unfreie Haltung ist eine Folge des allzuvielen Kläubelns. Breu
selbst scheint sich von dem Blatte einen großen Erfolg erwartet haben, da es neben dem Algierblatte das
einzige seiner gedruckten Werke ist, das er mit seinem Werkstattzeichen versehen hatte.

Das Susannenblatt stellt also den Anfang einer Tätigkeit vor, der der junge Breu in den Vierziger-
jahren mit Eifer oblag, der Herstellung großer, aus mehreren, zumeist acht Teilen zusammengesetzter
Holzschnitt-Bilderbogen. Nun versucht Breu, den Stoff des Lazarus ein zweites Mal in einem Schnitte zu
bearbeiten, der nicht weniger als 680 mm in der Höhe und 990 in der Breite mißt und von dem Abdrücke
in der Albertina und in Gotha sich befinden (Hschw. 66, Fig. 21). Seine Hand zu erweisen, stelle ich ein-
ander gegenüber: den Typus des Prassers dem des Landsknechtes 3o, den Typus des Lazarus dem des

1 Keinesfalls später. Cornelis Anthoniszoons Folge W. Schmidt 25, E. W. Moes (De Amslerdamsche Boekdrukkers I) 107,
deren 6. Blatt mit 1541 datiert ist, enthält zahlreiche Entlehnungen aus dem Bankette Breus.
 
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