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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 32.1915

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Winkler, Friedrich: Studien zur Geschichte der niederländischen Miniaturmalerei des XV. und XVI. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.6174#0335
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Studien zur Geschichte der niederländischen Miniaturmalerei des XV. und XVI. Jahrhunderts.

323

hält das Missale ein einziges ganzseitiges Glanzstück, die Kreuzigung, während der übrige bildliche
Schmuck sich auf die figürlichen Darstellungen in den Anfangsbuchstaben und den Rand der Blätter
beschränkt. Von den Initialen ist nur die mit dem büßenden David von dem Meister des Guillebert
von Metz.1 Alle anderen Initialen wurden von einem auch in anderen Handschriften nach-
zuweisenden Künstler geschaffen.2 Der Guillebertmeister fertigte außer der genannten Initiale nur
noch das Hauptbild der Handschrift, die ganzseitige Kreuzigung. Das Missale ist in mancher Hin-
sicht bemerkenswert. Es entspricht genau dem Normaltypus einer solchen Handschrift in der An-
ordnung der einzelnen Texte, ja es finden sich genaue Anweisungen in roter Schrift, wie der Priester
während der einzelnen Momente der Messe sich zu verhalten hat, und außerdem beobachtet man
im Kalender seltene Heiligennamen wie Emerantia, Albinus und Wenzeslaus, besonders aber durch
rote Schrift hervorgehobene Heilige des Dominikanerordens, an erster Stelle zweimal Dominicus
selbst, dann Thomas Confessor, Petrus Martyr, jeder mit dem ausdrück-
lichen Zusatz «de ordine praedicatorum».

Die von dem Meister des Guillebert von Metz abhängigen Meister
scheinen nicht zahlreich zu sein. Der Kommentar über die Psalmen des
Pieter von Herenthals (Paris, ms. lat. 432), dessen Titelblatt vom Meister
des Guillebert beeinflußt ist, ist nach Couderc in Nordfrankreich oder
Belgien (Lüttich, Arras) entstanden.3 Die Bilder sind mit Ausnahme
des Titelblattes ziemlich schwach. Dieses allein erinnert an den Stil
unseres Meisters.

Eine Sallusthandschrift in Genf (ms. lat. 54) ist ebenfalls zu nennen,4
doch gibt sie keine weiteren Handhaben ab. Eine Augustinushandschrift
in Brüssel (9046), Francois de Mayconis «Fleurs de la Cite de Dieu»,5
die nur eine Miniatur enthält, stammt vielleicht von dem Guillebertmeister selbst. Sie wird schon
im Inventar von 1467 der burgundischen Bibliothek aufgeführt.

Der Meister des Guillebert von Metz war ein Flame — die Inschriften in dem Codex der
Arsenalbibliothek bezeugen das —, er stand zu dem in Grammont in Flandern tätigen Guillebert
von Metz in Beziehung und scheint von Philipp dem Guten zur Vervollständigung seiner Bibliothek
herangezogen worden zu sein, vermutlich wenn ein Band verschenkt werden sollte, den der Herzog
in Kopie seiner Bibliothek erhalten wollte. Sein Schüler, der Meister der Privilegien von Flandern
und Gent, setzt den Stil des Lehrers treu fort. Der Ort seiner Tätigkeit wird derselbe gewesen
sein wie der seines Lehrers — eines der Hauptzentren des damaligen Flandern.

Der merkwürdig lokale oder provinziale Stil, den der Meister des Guillebert von Metz ver-
tritt, scheint nicht völlig vereinzelt zu sein. Ich weiß einstweilen freilich nur die sogenannte hol-
ländische Apokalypse der Pariser Nationalbibliothek (fonds neerl. 3) als stilverwandt und abhängig
vom Guillebertmeister zu nennen. Die Faltenzeichnung, die untersetzten Figuren, die in starker
Aufsicht gegebene, dicht besetzte Landschaft sind bei dem Meister des Guillebert ganz ähnlich an-
zutreffen. In der Tat scheint auch dieses Werk flämisch zu sein. Nach Vogelsang6 ist es auf Grund
des Dialektes holländischen Künstlern zugeschrieben worden; dieser hat aber, wie Vogelsang mit-
teilt, alle Eigenarten des Westflämischen.

Fig. 3g.
London, British Museum,
Harlcy Ms. 2897, Fol. 84.

1 Gheyn (Annales de l'Academie royale d'Archäologie de Belgique LVIII, 1906/7) nennt die Handschrift grundlos
spanisch.

2 So schuf dieser Miniator cod. germ. 83 der Münchner Bibliothek.

3 Couderc, a. a. 0., p. 3o.

4 Nur der Meister des Titelblattes kommt in Betracht, der übrige Schmuck wurde von zwei weiteren Künstlern aus-
geführt.

s A de Laborde, Les manuscrits ä peinture de la cite de Dieu, Taf. XXXIX. «Wahrscheinlich im nördlichen Frank-
reich oder im Tal der Meuse gemacht.»

* Voglsang, Holländische Miniaturmalerei des späteren Mittelalters, S. 32 und Taf. III, IV. Vogelsang setzt die Hand-
schrift mit «um 1400» wohl etwas zu früh an.
 
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