Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Glück, Gustav: Jugendwerke von Rubens
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0018
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
IO

Gustav Glück.

entstanden sein dürften. Sie erinnern durch den lebhaften Ausdruck der Köpfe und Bewegungen,
durch das kräftige Helldunkel und die tiefe Färbung sehr an das große Gemälde der Transfiguration.
Dahin gehören vor Allem eine schön komponierte Kreuzigung Christi und der Schacher in ober-
italienischem Privatbesitz (Fig. 9), die mit einem Bilde eines Mantuaner Inventars des achtzehnten
Jahrhunderts1 identisch zu sein scheint, die erregt aufblickende Susanna der Borghesischen Gale-
rie,2 ein durch die sorgfältige,
vertriebene Behandlung des nack-
ten Körpers, die eindrucksvolle
Erzählung des Vorgangs und die
düstere Landschaft für diese Zeit
besonders bezeichnendes Bild, und
endlich die gewaltige Darstellung
Heros und Leanders in der Dres-
dener Galerie (Fig. 10) mit ihren
ganz ähnlich gebildeten und ge-
malten Frauenkörpern, den mäch-
tigen, vom Sturm gepeitschten
Wogen und der durch heftige
Blitze erhellten nächtlichen Be-
leuchtung.3

Wenig später, etwa im Jahre
1606, dürften einige größere
Werke entstanden sein: das in
der Komposition an die Caracci,
in dem kräftigen Helldunkel und
einzelnen Verkürzungen auch wie-
der an Caravaggio erinnernde Al-
tarblatt mit der Beschneidung
Christi in Sant' Ambrogio zu Ge-
nua, der lebhaft bewegte, auf
hoch sich aufbäumendem Rosse
mit dem Drachen kämpfende hei-
lige Georg des Prado zu Madrid

Fig. 9. Rubens, Kreuzigung.

Obcritalienischer Privatbesitz.

und die uns nur in einem Stich
von Cornelis Galle erhaltene,

durch die lebhafte Beleuchtung und die eindringliche Erzählung der Handlung merkwürdige Dar-
stellung der Judith und des Holofernes.

Kurz nachdem Rubens seinen zweiten römischen Aufenthalt angetreten hat, merkt man bei
ihm im Gegensatz zu den bisher genannten Schöpfungen, in denen zum größten Teile sowohl
in bezug auf Erzählung und Ausdruck als auch auf die Beleuchtung eine gleichsam von Leiden-
schaft eingegebene Unruhe herrscht, ein völlig neues Streben nach Einfachheit, Ruhe und Größe.
Während sich bisher die Einwirkung der Antike bei ihm nur in einzelnen Entlehnungen von Teilen
der Architektur oder der Skulptur gezeigt hat, tritt nun die Antike als eine entscheidende Macht in
sein Leben ein; er hat ihre Bedeutung innerlich erfaßt und strebt jetzt nach klassischer Sparsamkeit

1 «Un croeifisso con due ladroni, lungo un brac. e mezzo, del Rubens»: Carlo d'Arco, a. a. O. II, p. 187.

2 Veröffentlicht von F. M. Haberditzl, a. a. O., S. 268.

3 Lange Zeit als Schülerarbeit bezeichnet, von Jakob Burckhardt (Erinnerungen aus Rubens, Basel 1898, S. 210) der
italienischen Zeit des Meisters zurückgegeben. Vielleicht ist es dasselbe Bild, das Rembrandt einst besessen hat (vgl. die von
C. Hofstede de Groot, Die Urkunden über Rembrandt, Haag 1906, S. 54 und 257, veröffentlichten Schriftstücke).
 
Annotationen