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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

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I. Theil: Abhandlungen
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Glück, Gustav: Jugendwerke von Rubens
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https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0038
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3o

Gustav Glück. Jugendwerke von Rubens.

In seiner späteren Zeit ist Rubens fast immer bei seinen Reiterporträten von diesem Typus
des «Pferdes auf zwei Beinen» ausgegangen, der ja auch der bevorzugte des Barockzeitalters ge-
blieben ist und sich bis auf die neueste Zeit fortgepflanzt hat. Auf sprengendem Roß hat Rubens
Philipp IV. in einem leider verloren gegangenen, heute nur mehr durch eine vortreffliche spanische
Kopie in den Uffizien zu Florenz 1 der Vergessenheit entzogenen Gemälde, den Kardinal-Infanten
Ferdinand in einem wirkungsvollen Bilde des Prado zu Madrid und den Herzog von Bucking-
ham in einem mächtigen Repräsentationsstücke der Sammlung des Grafen von Jersey dargestellt.
Diese vollendeten Kompositionen sind viel reicher als die seiner Jugendzeit; den Reiter umfliegen
hier schöne allegorische Gestalten und im Hintergrunde tobt die Schlacht. Allein die Verwandt-
schaft mit jenem früheren Bilde ist nicht abzuleugnen und selbst die Gestalt des den Helm nach-
tragenden Knappen kehrt auf dem Porträte Philipps IV. wieder.

Wichtiger noch als diese Anregung zu neuen Repräsentationsstücken ist aber die wunderbare
Beherrschung der bewegten Pferdefigur, die Rubens fortan in seinen Historienbildern zeigt und die
ohne Zweifel auf diese frühen Studien in der Reitschule zurückgeht. Man denke nur>an die prachtvollen
lebhaft bewegten Rosse etwa der Amazonenschlacht der Münchner Pinakothek, des Schlachtenbildes des
Decius-Mus-Zyklus der Liechtensteinschen Galerie, des Raubes der Leukippiden in München, der Marter
des heiligen Levinus im Brüsseler Museum!2 Rubens als Pferdemaler wäre einer besonderen Studie wert.

Von Rubens' Reiterbildnissen geht die große Zahl von Porträten der Fürsten und Feldherren
zu Pferde aus, die im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert gemalt und gestochen wurden, und
auch der Plastik hat er die bedeutendsten Anregungen gegeben. Daß wenige Jahre, nachdem
Rubens das gemalte Reiterbildnis geschaffen hatte, der Florentiner Bildhauer Pietro Tacca, ein
Schüler Giovanni Bolognas, mit Statuetten von Reitern auf sprengendem Pferde hervortrat und
schließlich in Rubens' Todesjahre das erste große Bronzedenkmal mit einem kurbettierenden Rosse,
das berühmte Reiterstandbild Philipps IV. für Buen Retiro,3 vollendete, ist sicherlich kein Zufall.
Die Werkstatt eines Enkelschülers Giovanni Bolognas, Francesco Susinis, hat, wie Julius von Schlosser4
nachgewiesen hat, fast fabriksmäßig die europäischen Höfe mit cavallini, kleinen Pferdestatuetten,
in die der Kopf eines beliebigen Herrschers eingesetzt werden konnte, zu versorgen gewußt. Diese
einfache Art, die Schwierigkeit des Reiterporträts zu lösen, die übrigens ähnlich auch von manchen
Stechern des siebzehnten Jahrhunderts geübt wurde, indem sie den Porträtkopf eines fürstlichen
Reiterbildnisses — etwa bei Gelegenheit eines Regierungswechsels — wegschliffen und durch einen
neuen ersetzten,5 erinnert an Rubens' Vorgang, denselben Pferdetypus für verschiedene Porträte
wiederzuverwenden. Auch sein größter Schüler Van Dyck hat sich nicht gescheut, den Schimmel
seines berühmten Reiterbildnisses Karls I. von England, jetzt in Windsor, auf dem Porträt des
spanischen Marquis Moncada, heute im Louvre, ganz genau zu wiederholen.

Im allgemeinen hatte das siebzehnte Jahrhundert keine solche Scheu vor dem Plagiat wie das
unsrige und das Plagiat seines eigenen Werkes wurde keinem Künstler verwehrt. Von dieser Er-
laubnis hat Rubens nur selten Gebrauch gemacht und Wiederholungen sind in seinen eigen-
händigen Arbeiten nicht häufig. Wer übrigens so ungeheuer reich ist wie er, würde auch heute
nicht fürchten müssen, des Diebstahls geziehen zu werden.

1 Carl Justi, Velazquez I2, S. 204, und Miszellaneen aus drei Jahrhunderten spanischen Kunstlebens II (1908), S. 259.

2 Die köstliche Skizze zu diesem Bilde, früher in der Sammlung des Herrn Rodolphe Kann in Paris, befindet sich
heute im Besitze des Freiherrn Hans von Reitzes in Wien. Der herrliche, aufsteigende Schimmel, der seinen Reiter abge-
worfen hat, gehört zu Rubens' schönsten Pferdegestalten.

3 Vgl. Carl Justis schönen Aufsatz über diese Statue: Miszellaneen aus drei Jahrhunderten spanischen Kunst-
lebens II, S. 245.

* Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Ah. Kaiserhauses XXXI (1 g 13), S. 126.

3 Ein Beispiel wies Julius Hofmann in seinem Aufsatze über das Reiterbildnis Ferdinands II. von Crispin van de
Passe nach: Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst 1911, S. 33.
 
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