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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

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I. Theil: Abhandlungen
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Planiscig, Leo: Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0041
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Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert.

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nun selbständig zu neuen Problemen hätte führen können. Das Byzantinische, immerhin durch
den neuen abendländischen Stil belebt, gelangte in Venedig während der zweiten Dugentohälfte
wiederum zur Vorherrschaft, ein neuer, verstärkter byzantinischer Einfluß, aber auch eine
neue Kunst, die sich, wie in den Mosaikfiguren von S. Marco,
so auch in der Skulptur deutlich zeigt. Es bedurfte erst der
teilweise durch Oberitalien erneuerten Kunst Toskanas nebst
jenem «plus» an Errungenschaften, die in Giovanni Pisano
ihren Repräsentanten haben und die dieses Land nun an
die Spitze der Entwicklung der italienischen Skulptur stell-
ten, um auch der Kunst Venedigs neue Bahnen für ihre Ent-
wicklung zu schaffen. Der byzantinische Stil in Venedig ver-
schwand nur langsam unter dem stetigen Einfluß, den Toskana
am Anfange des XIV. Jahrhunderts in ganz Italien ausübte.

Der Konservatismus Venedigs ist keine stereotype Lite-
ratenformel. Tatsächlich wurden hier, wie nirgend sonst,
alte Traditionen auch in der Kunst zähe festgehalten. Wir
treffen neben Werken von einer zeitlich ganz modernen Stil-
auffassung andere, qualitativ nicht minderwertige, die als
Weiterläufer überwundener Richtungen gelten können. Wie
aber der Byzantinismus auch während der ersten Hälfte des
XIV. Jahrhunderts nicht erlischt (in den Mosaiken bleibt
er infolge einer gewissen Gebundenheit an das Material noch
länger hinaus bestehen), so leben noch viele Residuen jener
abendländischen Einflüsse weiter, die bei den Bogenskulp-
turen von S. Marco so mächtig gewirkt hatten. Eine ein-
heitliche, venezianische Skulptur aber beginnt erst mit den
vierziger Jahren des Trecento zu blühen.

Der Toskana gegenüber, wo sich während der zweiten
Dugentohälfte eine selbständige Skulptur gebildet hatte, bleibt
in dieser Zeit ihr Charakter in Venedig ein transitorischer.
Der erneuerte byzantinische Einfluß hatte zwar eine neue
Kunst hervorgerufen, die in ihrem Stil spezifisch venezianisch
war. Aber neben den Produkten dieser Kunstrichtung tau-
chen auch Werke auf, an denen man mehr oder weniger den
abendländischen Einschlag feststellen kann. Gerade diese
Werke wirkten neben den venezianisch-byzantinischen be-
stimmend für eine Phase der venezianischen Skulptur, die
sich ganz am Anfange des XIV. Jahrhunderts entfaltete und
auch für ihre Weiterentwicklung von Bedeutung gewesen ist.

Als ein Repräsentant des abendländischen Einflusses
in der venezianischen Dugentoskulptur möchte ich eine
auch qualitativ besonders wichtige Skulpturengruppe er-
wähnen, die sich in einem dunklen Hinterraume der Salute-
Kirche befindet und die die thronende Madonna mit dem Kinde, den hl. Josef und einen
knienden hl. König darstellt (Fig. i).1 Durch eine komplizierte, mehr literarisch angehauchte
als auf einer stilistischen Basis begründete Beweisführung glaubte Venturi2 diese Gruppe in ein

Fig. 3. Benedetto Antelami, Prophet.
Borgo San Donnino.

1 Die Gruppe stellte die Anbetung der hl. drei Könige dar.

3 Adolfo Venturi, Lo scultore romanico di S. Mercuriale di Forli in cl'Arte» II (Rom 1899), p. 246 ff. — Seinem
iDonato Veneto» schreibt überdies Venturi noch die Propheten der Kapelle Zen in S. Marco und den Traum Josefs zu. eine
 
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