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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

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I. Theil: Abhandlungen
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Planiscig, Leo: Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0044
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36

Leo Planiscig.

tico1 für eine «nicht griechische» Arbeit des XI. oder XII. Jahrhunderts; Mothes2 wiederholt die
Angabe Selvaticos; Fulin-Molmenti3 setzen es ins XII. Jahrhundert und nennen es eine abend-
ländische Arbeit; Gabelentz4 endlich rückt mit der Datierung bis ins späte XIII. Jahrhundert

hinauf.

c) Das Relief des hl. Hermolaus, an einem
Durchgang bei S. Simeone grande in Venedig
eingemauert (Fig. 6). Der Heilige ist unter einem drei-
lappigen Bogen in Orantenstellung dargestellt. In den
oben sich ergebenden Zwickeln je ein Engel, der mit
der einen Hand einen Vorhang hält, mit der anderen
ein Weihrauchfaß schwingt.5

Diese drei Reliefs müssen als eine weitere Folge
des Terraferma-Einflusses betrachtet werden. Der
segnende Bischof im Seminario patriarcale ist wohl
schon weit von der Kunst Antelamis entfernt, hat aber
diese zur Vorbedingung. Auch die Prophetenfiguren der
Kapelle Zen bilden eine Vorstufe für dieses Werk, ob-
wohl ein viel näheres Verhältnis es an Oberitalien
knüpft. Zwar können wir hier ein Sichentfernen von
jenen statuarischen Prinzipien, wonach die ursprüng-
liche Kunst Oberitaliens strebte, feststellen — unsere
Figur ist wiederum an die Relieffläche gebunden, auch
ikonographisch paßt sie zu den byzantinischen Sche-
men —; in der stilistischen Ausführung schließt sie
jedoch an die Traditionen jener abendländischen Künst-
ler an, die an den Bogenskulpturen von S. Marco ge-
arbeitet hatten, speziell an jene spätere Umwertung
dieses Stiles, für die wir an den Prophetenfiguren der
Kapelle Zen die besten Vertreter haben. An unserem
Bischof zeigt sich diese Umwertung noch weiter fort-
geschritten.

Der neuaufflackernde Byzantinismus hat auch an
diesem Werke gewirkt und mehr noch an dem Ma-
donnenrelief von S. Polo, wo sich die Charakteristika
beider Richtungen mengen und einen byzantinisch-
abendländischen Stil hervorrufen. Der Weg geht
von einer angestrebten Rundform zur Fläche zurück.
Die Nebeneinanderstellung des Seminario-Reliefs und
jenes von S. Polo zeigt uns dies am deutlichsten, um
so mehr, wenn wir noch eines der Propheten der Ka-
pelle Zen vor Augen haben.
Der in Venedig wiederhergestellte Byzantinismus konnte trotz aller Macht seines Einflusses
gewisse stilistische Errungenschaften abendländischer Kunst an den hier angeführten Werken nicht

Fig. b. Hl. Hermolaus.
Venedig, Durchgang bei S. Simeone grande.

1 P. Selvatico, Sulla architettura e sulla scultura in Venezia, Venedig 1847, p. 52, n. 1.

2 Oskar Mothes, Geschichte der Baukunst und Bildhauerei Venedigs I (Leipzig 1859), S. 59.
s Fulin-Molmenti, Guida artistica e storica di Venezia, Venedig 1881, p. 280.

' Gabelentz, a. a. O. S. 154.

' Zuerst von Gabelentz a. a. O., S. 212, erwähnt und richtig an den Anfang des Trecento gesetzt. Siehe auch meinen
Aufsatz in «Kunst und Kunsthandwerk», Wien I9l3, S. 120.
 
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