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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

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I. Theil: Abhandlungen
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Planiscig, Leo: Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0049
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Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert.

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Während sich die Madonna
orans äußerlich noch dem Ty-
pus des Mater Domini-Reliefs
und des Reliefs der Abbazia della
Misericordia nähert, ist der hl.
Pantaleon deutlich das Produkt
der erneuerten byzantinischen
Kunst. Er findet eine Parallele in
dem sitzenden hl. Georg an der
Westseite von S. Marco (Fig. 15')
oder besser noch in dem Relief
eines Engels in der Kapelle
Zen.1 Aber auch die Madonna
gehört derselben Kunstperiode an.
Ihre Zugehörigkeit würde sich
schon aus der Tatsache ergeben,
daß sie, ein Gegenstück zum Pan-
taleon, in der Größe und in der
technischen Behandlung mit die-
sem vollständig übereinstimmt.
Man kann sie überdies auch mit
der Madonnenfigur am S. Polo-
Relief vergleichen. Die Köpfe und
die Behandlung der Gewänder
entsprechen ein und derselben
Stilstufe.

An allen diesen Werken tritt
derselbe Stil zu Tage. Wir nann-
ten ihn venezianisch-byzan-
tinisch. Gegenüber jener Rich-
tung, die wir mittelbar oder un-
mittelbar von dem Einfluß der
Terrafermakunst ableiteten, ist
dieser erneuerte byzantinische Stil
der vorherrschende während der
zweiten Dugentohälfte. Neues mit
Althergebrachtem vermengt, das
Fortleben eingebürgerter Kunst-
traditionen, die Tendenz, diese
mit den abendländischen Errun-
genschaften zu verbinden, wäh-
rend dennoch der Byzantinismus weiter die Vorherrschaft behauptet, — diese Charakteristika kenn-
zeichnen die Periode des Überganges, die den Einzug der Gotik in Venedig vorbereitet.

An der Schwelle zum XIV. Jahrhundert scheinen sich aber die zwei erwähnten Strömungen,
die bis dahin mehr oder weniger parallel verlaufen waren oder einander in einzelnen Fällen tangiert
hatten, zu einer neuen, spezifisch venezianischen Kunst zu verbinden. Es entstehen Werke von
einem eigentümlichen — venezianischen — Stil, in denen zwar noch der ererbte Byzantinismus

Fig. 10. Evangelist Matthäus.
Venedig, S. Marco.

1 Abbildung bei Gabelentz a. a. O., S. 139, Nr. 6

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