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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

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I. Theil: Abhandlungen
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Planiscig, Leo: Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0060
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Leo Planiscig.

Kinde, dem hl. Franziskus und der hl. Elisabeth, welche den verstorbenen Dogen und die Doga-
ressa der Muttergottes empfehlen, einschloß.1 Dieses Bild ist noch erhalten und befindet sich gegen-
wärtig in der zweiten Sakristei der Salute-Kirche zu Venedig (Fig. 28). Gegenüber der noch byzan-
tinisierenden Formensprache der Reliefs am Sarkophage ist der spitze Bogen ein Motiv, das mit der
Entstehungszeit des Werkes im Einklänge steht. Schon während der dreißiger Jahre des Trecento
treten in Venedig Wandgrabmäler unter Spitzbogen auf: als Beispiele möchte ich hier jenes des
Duccio degli Alberti (Fig. 56) sowie jenes des Arnaldus Teutonicus in S. M. dei Frari
(Fig. 57) erwähnen, von welchen später noch die Rede sein wird.

Vieles Falsche wurde über das Dandolo-Grabmal in der Literatur berichtet. Mothes,2 der es
scheinbar nie gesehen hat, führt zuerst an, Francesco Dandolo sei im Kapitelsaal des Servitenklosters

Fig. 24. Grabmal des Dogen Francesco Dandolo (f l33o).
Venedig, Museum des Seminario patriarcale.

begraben worden; dann aber läßt er ihn, aus einer anderen Quelle schöpfend, ursprünglich doch im
Kreuzgang der Frari-Kirche begraben sein. Dabei behauptet er, das Grabmal sei nicht mehr in
Venedig sondern «in Meren bei Conegliano, wohin es die Nachkommen des Toten schaffen ließen»,—
eine Verwechslung mit dem von Selvatico3 angeführten Grabmal des Francesco Dona, das wirklich
nach Meren übersiedelte. Der Irrtum Mothes' wird noch verfänglicher, wenn er die Behauptung auf-
stellt, der Dandolo-Sarkophag sei stilistisch mit jenem des Duccio degli Alberti (Fig. 56) in
der Frari-Kirche verwandt, «ja vielleicht von demselben Künstler ausgeführt». Kein Unterschied
in der Stilrichtung kann je größer sein als der, welcher diese zwei Grabmonumente von einander
trennt! Ein Blick auf die Reproduktionen beider Werke wird uns wohl die Mühe einer Ausführung
ersparen. — Ich hätte dieses Mißverständnis Mothes', das ja längst der Vergangenheit angehört, nicht
einer eingehenderen Kritik unterzogen, wenn nicht ein neuerer Kunsthistoriker, Bertaux,4 durch
diese Angaben verleitet, in den Skulpturen des Dandolo-Sarkophages einen Stil «nourri de reminis-
cences pisanes» zu erblicken gemeint hätte. Diese Angabe gilt wohl für das Grabmal des Duccio
degli Alberti; kein ernster Betrachter aber wird in der Szene unseres Sarkophages Spuren eines
pisanischen Einflusses finden.5

1 Siehe Crowe und Cavalcaselle a. a. O. V, S. 1; Testi a. a. O., p. 60. - Mothes a. a. O. I, S. 185.

3 Selvatico a. a. O., p. 101, Anm. 2. — In der Servitenkirche befand sich das Grabmal des Dogen Francesco Dona,
das nach Meren bei Conegliano übertragen wurde.

4 Emile Bertaux, La sculpture du XIV1"6 siecle en Italie et en Espagne in Michels Histoire de l'Art II, 2 (Paris 190O),
p. 640.

5 In einem jüngst erschienenen Buche von Pierre de Bouchaud, La sculpture venitienne, Paris iqi3, wird die Sach-
lage folgendermaßen geschildert: Das Grabmal Dandolos befindet sich jetzt «sous un simple baldaquin en plein cintre . . .
 
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