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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

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I. Theil: Abhandlungen
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Planiscig, Leo: Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0068
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6o

Leo Planiscia.

Höhe des Enrico-Denkmales. Gleichwie dieses, ist es aber eine zwar parallele, aber stilistisch von
jenen Werken, die wir als einheimisch betrachtet haben, differenzierte Erscheinung. Auch hier
als Grundlage die byzantinische Richtung: nur in der Weiterentwicklung unterscheiden sich seine
Skulpturen sowohl vom Donatusrelief und dem Dandolo-Sarkophag als auch von der trevisani-
schen Area. Die Eckbischöfe, die bis zu einem gewissen Grade mit jenen des zuletztgenannten
Grabmales verglichen werden könnten, sind gleich der Figur des hl. Donatus von Murano Produkte
eines byzantinischen Einflusses, wogegen der hl. Johannes am besten dem hl. Christopherus der
Markuskirche (Fig. 19) zur Seite gestellt werden kann. Man könnte auch den hl. Hermolaus
(Fig. 6) hier zum Vergleiche heranziehen, jedenfalls nicht die Figuren.des Dandolo-Sarkophags.

Aus dem bisher Angeführten folgt, daß nach dem ersten Jahrzehnt des XIV. Jahrhunderts
keine einheitliche Strömung in der venezianischen Skulptur verzeichnet werden kann. Aus einem

Fig. 33. Christus. Fig. 34. Figur aus dem Portale der

Beativais, Musce Arch£ologique. St. Vincent-Kirche zu Carcasonne.



dominierenden venezianisch-byzantinischen Stil ergeben sich durch selbständige Weiterentwicklung
verschiedene Richtungen, die nur ihren Ursprung gemeinsam haben. Aus dem bereits umgewerte-
ten byzantinischen Stamm erheben sich Aste von größerer oder kleinerer Vitalität. Einheimische
Fortbildung im Sinne des Donatus-Reliefs oder im Sinne des Soranzo-Grabmals, leichte Spuren
eines von außen kommenden Einflusses, wie bei der Area des Beato Enrico, bedingen die Differenzen
dieser Richtungen. Zu gleicher Zeit faßt aber ein neuer Stamm Wurzeln, eine neue Kunst, deren
leichte Andeutungen wir bereits an den Reliefs von Treviso festgestellt haben. Diese wirkt nun
bestimmend. Jenes Umhertasten, jenes Sichhalten an Motive und stilistische Ausdrucksmöglich-
keiten der Vergangenheit bei einer verhältnismäßig kleinen Kontribution des Eigenen hat ein Ende.
Es entsteht eine neue Richtung als Hauptfaktor in der Entwicklung, der gegenüber alle
anderen Bestrebungen nur dürftig vegetieren oder höchstens die Brocken, die ihnen zukommen, auf-
lesen können. Der große Umschwung in der Skulptur Italiens, dessen Herd die Toskana war,
die Kunst des Giovanni Pisano, von seiner Schule und deren Abzweigungen an alle Orte
Italiens gebracht, mußte auch in Venedig der maßgebende Faktor für die Weiterentwicklung der
Skulptur werden.
 
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