Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Planiscig, Leo: Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0092
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
84

Leo Planiscig.

das Notwendigste aus einer Szene zu abstrahieren, um es dem Beschauer in einer monumentalen
Form darzubieten, sondern die, reich im Detail, auch zu Ungunsten der Klarheit der Komposition
wirkt. Mehr als Giotto selbst sind im weiten Sinne Ambrogio Lorenzetti und Simone Martini,
im engeren die vielen unbekannten wandernden Sienesen jene gewesen, welche die Grundlagen für
das Schaffen des Altichiero aus Verona, des Avanzo und des Giusto dei Menabuoi aus

Padua und schließlich auch des
Lorenzo Veneziano gebildet
haben.

Bei einem Vergleiche des
Paradebettes, besonders aber der
beiden Engel am Grabmonumente
des Castellano da Salomone mit
den angeführten Werken der
römischen und der sienesischen
Schule wird der Zusammenhang
mit dieser leicht zu erkennen
sein. Das Paradebettmotiv ist
aber von den Sienesen nicht in
Neapel allein eingeführt worden.
Von derselben Schule wurde es,
nach dem Urbilde Arnolfos, auch
im übrigen Italien rasch verbrei-
tet. Ich brauche nur an das Grab-
mal des Kardinals Riccardo Pe-
troni im Dom zu Siena (1314)
zu erinnern, ein Werk, das viel-
leicht nicht direkt Tino geschaffen
haben mag, das aber wohl aus
seinem nächsten Kreise hervor-
gegangen ist; oder an das Grab-
monument des Fiesolaner Bi-
schofs Aliotti in S. M. Novella
zu Florenz, ein sicheres Werk Tinos; oder an das Monument des Papstes Benedikt IX. in
S. Domenico zu Perugia, das Vasari als ein Werk des Giovanni Pisano angegeben hat, wo-
gegen es eine Ubersetzung des arnolfinischen Motivs in die sienesische Formensprache ist. An
allen diesen Werken tritt deutlich jener neue sienesische Charakter hervor, den man schließlich
auch an dem trevisanischen Bischofsgrabmal feststellen kann.

So wie an diesen angeführten Werken das Paradebett mit dem üblichen Baldachin' immer
wieder vorzukommen pflegt, wiederholt sich auch — in einer schematisch wirkenden Form — die
liegende Figur des Verstorbenen. Betrachtet man jede einzelne dieser Statuen für sich, so
könnte man glauben, der Künstler hätte charakteristische Züge des Toten wiedergeben wollen.
In Wirklichkeit handelt es sich immer um denselben Typus: dasselbe magere Gesicht, dieselben
hängenden Wangen, die tiefen Augenhöhlen, die auffallende Falte um den Mund, die gleiche Be-
handlung der Gewänder. Mit dem Schema des Paradebettes wurde somit auch jenes für die darauf
ruhende Figur des Toten erfunden.1 Abwechslungsreicher ist hingegen die Behandlung der gleich-
falls als etwas Konstantes auftretenden Engel, die den Baldachinvorhang heben oder stützen. Am

1 Vgl. die Figur des Bischofs Castellano mit jener des Papstes Benedikt IX. in Perugia, zwei Werke, die fast gleich-
zeitig entstanden sind.
 
Annotationen