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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

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I. Theil: Abhandlungen
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Planiscig, Leo: Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0095
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Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert.

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übertrugen sie in die Carmini-Kirche auch das Grabmal des B. Odorico. Es wurde aber zer-
stückelt und bekam bei der Wiederaufstellung nicht mehr seine ursprüngliche Form. Über sein
Aussehen vor der Ubersiedlung gibt uns ein Stich des XVIII. Jahrhunderts Aufschluß, der aus dem
erwähnten «Elogium» des Venni herrührt (Fig. 52).1 Da dieser Stich nicht vollständig mit den
alten Beschreibungen der Area des B. Odorico übereinstimmt, habe ich versucht, eine Rekonstruktion
des Grabdenkmals zu entwerfen (Fig. 53).

Dieses bestand aus einem Kasten, der von vier Säulen getragen wurde. Auf der Vorder-
seite, zwischen zwei Alabastertafeln, befand sich ein Relief mit einer dem Leben des Beato ent-
nommenen Darstellung: wie er dem Volke predigt und wie die Kranken zu ihm kommen, um ge-
heilt zu werden (Fig. 48). Die Rückseite trug gleichfalls ein Relief mit einer Darstellung, die den
Beato zum Hauptgegenstand hatte:
der Patriarch von Aquileja, Pagano,
ist im Begriffe, den toten Odorico zu
verehren, dessen Leiche auf einem
Leintuche liegt, das an den Enden
von zwei Jünglingen gehalten wird.
Zu beiden Seiten des Patriarchen ste-
hen vier Franziskanermönche und der
«Gastaldus» von Udine, gleichfalls das
Leintuch haltend. Am unteren Teile
dieses Reliefs sehen wir wiederum
den B. Odorico mit Fahnen in den
ausgestreckten Händen. Unter den letz-
teren befinden sich zwei Wappen:
das rechte mit der Devise des Fran-
ziskanerordens, das linke mit jener der
Familie della Torre. Das stark vor-
springende obere Gesimse besteht aus
aneinandergereihten Akanthusblättern.
Die einzelnen Felder sind von einem
doppelten Zahnschnitt umfaßt (Fig. 49). Fig. 54. Relief von der Area des hl. Oktavianus.

Der erwähnte Stich bringt die Voiterra, Dom.

Vorder- und Rückseite des Sarko-
phags und setzt an die Ecken einzelne Figuren: an der Vorderseite links die Annunziata, rechts den
Verkündigungsengel; neben diesem, mit ihm eine Ecke bildend, einen Heiligen aus dem Fran-
ziskanerorden, vielleicht den B. Tommaso aus Tolentino, dessen leibliche Reste von Odorico
während seiner Reise in den Orient gerettet wurden. An der Rückseite rechts eine weibliche Hei-
ligenfigur mit der Märtyrerpalme, aber ohne jedes andere Attribut, nach dem man sie identifizieren
könnte; links der hl. Franz von Assisi; an seiner Seite (an der Schmalseite des Kastens) ein Fran-
ziskanerbischof, höchst wahrscheinlich der hl. Ludwig von Toulouse, in dessen Kapelle ja ur-
sprünglich das Grabmonument sich befand (Figg. 50—51).

Wir müssen annehmen, daß der Sarkophag bei der Übertragung im Jahre 1771 auseinander-
gelegt wurde und in der Carmini-Kirche nicht mehr seine ursprüngliche Form bekam. Die vier
tragenden Säulen wurden entfernt und der Kasten als Altartisch verwendet, ein Vorgang, den wir
schon bei der Area des Enrico von Bozen in Treviso gesehen haben. Da nun der Kasten an eine
Wand kam, so wäre dadurch das eine Relief mit der Verehrung des Toten verloren gegangen;
deshalb wurde es abgenommen und über dem Altare zu Füßen einer großen Altartafel in die Wand

1 Diesen Stich finden wir auch mit einigen «Verbesserungen» im Werke Cordiers a. a. O. abgebildet.
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