Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Planiscig, Leo: Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0103
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert.

95

zeigt, die aber gewiß einer viel späteren Zeit des Trecento angehört: die Halbfigur eines Evan-
gelisten Johannes, eingemauert über der im Hofe befindlichen Eingangstür zur Scuola di
S. Giovanni Evangelista in Venedig (Fig. 55).

Der Heilige ragt aus einem Bündel gotischer Blätter her-
vor. In der Rechten hält er ein Buch, die Linke ist abge-
brochen. Die Haare sind in drei Locken auf dem Kopfe ver-
teilt. Bart und Schnurrbart erscheinen wie gefasert, ersterer
in symmetrisch stilisierten Locken. Diese Stilisierung hängt
mit der Gesamtentwicklung der Skulptur Venedigs zusammen.
Können wir auch in diesem Falle den B. Simeone als Grund-
typus annehmen, so müssen wir doch jener dekorativen Ten-
denz eingedenk sein, die die Gotik im XIV. Jahrhundert bis
zum Flamboyant - Stile der Giebel der Markuskirche geleitet.

Um die verschiedensten Formen, unter denen der toska-
nische Stil in Venedig eindrang, nach dem vorhandenen und
bekannten Material möglichst erschöpfend darzustellen, möchte
ich noch ein Werk anführen, das zwar in der bisherigen Lite-
ratur häufig Erwähnung gefunden hat, ohne daß aber seine
Stellung zur Gesamtentwicklung der Skulptur Venedigs berück-
sichtigt worden wäre: das Grabdenkmal des florentiner Bot-
schafters Duccio degli Alberti in der ersten Kapelle rechts
vom Hochaltar der Frari-Kirche zu Venedig aus dem Jahre
i336 (Fig. 56).1 Unter einer reichen Nische, die von einem
spitzen Bogen, den vier gewundene Säulen tragen, gebildet
ist, ruht auf dem Sargkasten die Figur des Toten in der Flo-
rentiner Tracht der Zeit: im Talar, die Kappe auf dem
Kopfe. Die Vorderseite des Kastens, auf dessen oberem Ge-
sims die Inschrift in einer Reihe läuft, ist in drei Felder ein-
geteilt: das mittlere trägt zwischen zwei gewundenen Säulen
ein Kreuz, die seitlichen zweimal das Wappen des Verstorbenen.
An den Sargecken zwei Statuetten, Tugenden darstellend:
rechts die Justitia mit dem Schwerte, links die Tempe-
rantia mit der Vase. Auf dem Tympanon des Bogens befin-
det sich außer den Wappen der Städte Florenz und Venedig
noch das kreuztragende Lamm des hl. Johannes. Die Figuren
der Justitia und der Temperantia, die in manchem der

Kunst des Giovanni entrückt sind, erinnern an ungefähr gleichzeitige florentinische Skulpturen, etwa
an die sogenannte hl. Reparata der Domopera.2 Sie bezeugen, daß auch die neue, florentinische

Fig. 59. Verkündigungsmadonna.
Padua, Mtiseo Civico.

1 Selvatico, Sulla architettura etc. a. a. O., p. 145. Diedo-Zanotto, I monumenti cospicui di Venezia, Mailand 1839, hier
ein Stich des Grabmals. Ermolao Paoletti, II fiore etc. a. a. O. III, p. 90. Mothes a. a. 0. I, 184 f.: das Grabmal soll «in vielen
Stücken an Denkmäler in Pistoja, Florenz, Pisa und Lucca» erinnern. Fulin - Molmenti a. a. O., p. 290. Ruskin a. a. O. III, S. 74,
hält die Statuetten der Tugenden für florentinische Arbeit. Perkins a. a. 0. II, p. 202: «la premiere fois que les Vertus sont
figurees sur une tombe venitienne.» A. G. Meyer, Das venezianische Grabdenkmal der Frührenaissance, im Jahrbuch der
königl. preuß. Kunstsammlungen X (1889), S. 83. Gabelentz a. a. O., S. 251. — Am oberen Rande des Sargkastens folgende
Inschrift: H • IACET ■ DVCIVS • D • ALBERTIS • HONORABILIS ■ CIVIS ■ CIVITATIS ■ FLORKNCIE • AMBASSATÜR •
IN VENECIIS • OBIIT • A • DNI • MCCCXXXVI • DIE • XXX • OCTVBRIS. — Duccio war florentinischer Gesandter
in Venedig zur Zeit, als dieses Bundesgenosse von Florenz im Kampfe gegen Mastino della Scala von Verona war.

2 G. Poggi, Catalogo del Museo dell' opera del Duomo, Florenz 1904, p. 42, Nr. 93. Vgl. A. Schmarsow, Vier Statuetten
in der Domopera zu Florenz: Jahrbuch der königl. preuß. Kunstsammlungen, Berlin 1887, S. 13y f.; K. Rathe, Der figurale
Schmuck der alten Domfassade in Florenz, Wien 1910, S. 66.

XXXIII. i3
 
Annotationen