Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Planiscig, Leo: Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0108
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
IOO

L.co Planiscig.

mögen zeigen, daß er Vorlaufer auf venezianischem Boden gehabt hat und daß jenes «Anti-
kische», das man darin erblickt, die Folge einer auf byzantinischer Grundlage stattgefundenen Ent-
wicklung ist.

Das Madonnenrelief im Museo Concordese zu Portogruaro aus dem Jahre i3i4
(Fig. 64)1 löst sich von den hieratisch-byzantinischen Formen und zeigt gegenüber Skulpturen

wie etwa dem Madonnen-
relief der Abbazia della Mi-
sericordia (Fig. 8) einen gro-
ßen Fortschritt in der Ent-
wicklung. Abgesehen von
den schon «gotischen» De-
korationsmotiven am Throne,
ist das Verhältnis zwischen
der Mutter und dem Kinde
etwas Neues, Abendländi-
sches, in unserem Falle je-
doch mit Mitteln zum Aus-
drucke gebracht, die der vene-
zianisch-einheimischen Skul-
ptur, fern vom toskanischen
Einflüsse, zu Gebote stan-
den. Im Typus der Madonna
bleibt aber das Erhabene,
das Antikisch-römische der
byzantinischen Kunst: eine
matronenhafte Erscheinung
in antiker Tracht. Das Kind
ist hingegen genrehaft be-
handelt: Nicht mehr die üb-
liche Frontaldarstellung, das
ernste Segnen byzantinischer
Art, sondern eine Verschie-
bung nach rechts; das Ge-
sicht nicht mehr dem Be-
schauer, sondern der Mutter
zugewendet; kein Segenges-
tus, keine Verbindung mit
Fig. 64. Thronende Madonna (i314). den anbetenden Gläubigen,

Portogruaro, Museo Concordese. sondern die gotische Ver-

menschlichung in der Kor-
respondenz zwischen Mutter und Kind. Es ist ganz klar, daß gerade bei diesem Stücke jene ober-
italienischen Einflüsse eine Rolle spielten, die bei den Bogenskulpturen von S. Marco sowie bei
der thronenden Madonna in der Salute-Kirche (Fig. 1) von entscheidender Bedeutung gewesen
sind. Es ist die Kunst Antelamis (Lunettenrelief vom Nordportale des Baptisteriums von Parma),

1 Die Madonna thronend mit dem Kinde. Über dem Throne zwei Halbfiguren von Heiligen: rechts der hl. Franziskus,
links der hl. Johannes d. T. Auf einem Steinsockel folgende Inschrift: A.D. MCCCXIIII. XX . MENSIS SEPTEBRIS FACTV.
FV1T • H • OP. Dieses Relief befand sich ursprünglich auf dem Tympanon der jetzt demolierten Kirche des Franziskaner-
klosters in Portogruaro, dann eine Zeitlang im Privatbesitze und wurde endlich im Museo Concordese untergebracht. Vgl.
Bertolini, Portogruaro, origini e nome: Archivio Veneto VIII (1874), p. 243; Gabelentz a. a. O., S. 156.
 
Annotationen