Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Planiscig, Leo: Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0111
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert.

io3

begründen (Fig. g2). Dieses Werk gehört aber einer späteren Phase der venezianischen Trecento-
skulptur an, kann somit schwerlich zum Vergleich mit unserem Relief herangezogen werden. Spe-
ziell diese Akademie-Madonna ist ein typisches Beispiel für die Verbindung der einheimischen
Skulptur —■ wie etwa das besprochene Werk des Arduin — und des neuen, von der Toskana
her kommenden Einflusses. Wir werden diesen Typus noch an einer langen Reihe von Skulpturen
nachweisen können. — Die matronenhafte Stellung der Madonna, das genrehafte Spielen des Kindes
(hier noch ein gesteigertes Bewegungsmotiv) sind geblieben. Am Faltenwurf der Gewänder (be-
sonders an jenem der zwei Engel) ist der toskanische Einschlag deutlich erkennbar. Überdies
erinnern die beiden leuchtertragenden Engel an gleiche Figuren, die, wie am Castellano-Grabmal,
die Vorhänge des Paradebettes tragen oder heben.

Dieses Ineinandergreifen zweier Schulen kann an den Skulpturen des Sarkophags eines
Unbekannten in der ersten Kapelle links vom Chor in der Frari-Kirche zu Venedig weiter

Fig. 67. Grabmal eines Unbekannten.
Venedig, Frari-Kirche.

verfolgt werden [Fig. 67). — Ein Sargkasten mit starker Profilierung hoch an der Wand wird
von zwei Konsolen getragen; an beiden Ecken Engel mit Schriftrollen; in der Mitte, unter einem
Baldachin, dessen Vorhänge zwei Engel halten, die Madonna thronend mit dem Kinde. Die Engel
stehen unter toskanischem Einfluß, wie etwa die Tugenden am Grabmal des Duccio degli Alberti.
Die Madonna erinnert stark an jene des Reliefs in der Akademie, nur daß sie hier — trotz Bei-
behaltung des Reliefcharakters — vollrund gearbeitet ist. Merkwürdig ist die Verwendung eines
Baldachins, der nicht mehr dem Paradebette des Toten angehört, sondern die Nische für den
Thron der Madonna bildet. Venezianische Künstler haben dieses Motiv der Toskana entnommen,
es aber bald in ihrem Sinne umgewertet.

In einer unserem Beispiele stilistisch äußerst ähnlichen Durchbildung tritt es an einem
Madonnenrelief der Estensischen Sammlungen (Taf. XVI) auf, das gleichfalls ursprünglich
einem Grabmonument angehört haben dürfte.1 Auch hier die thronende Madonna in Frontal-
stellung. Ein Mantel, der an der Brust durch einen Knopf zusammengehalten wird, umhüllt sie
bis auf das Haupt, das außerdem eine Krone trägt. Charakteristisch sind die Falten zwischen den
Knien und die Form der Hände. Die beiden Engel tragen gleich jenen am Grabmal des Unbe-
kannten in der Frari-Kirche um die Lenden gegürtete Tuniken.

Der Zusammenhang dieser Werke mit der einheimisch-venezianischen Kunst ist durch die
Portogruaro-Madonna gegeben.

1 922 E 105; weißer Marmor; 46-5 X 62 cm. Spuren von Vergoldung an der Krone, an den Schuhen und an dem
Knopfe, der den Mantel an der Brust festhält.

XXXIII. 14
 
Annotationen