Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Planiscig, Leo: Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0114
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
io6

Leo Planiscig.

während der vierziger Jahre des Trecento. Der direkte toskanische Einfluß, wie er etwa an
den Sarkophagen des Castellano da Salomone in Treviso oder des Odorico da Pordenone in Udine
festgestellt werden konnte, tritt nicht mehr in seiner ursprünglichen, verhältnismäßig «reinen» Form
auf, sondern mengt sich mit den autochthonen Bestrebungen Venedigs und hat zum Ergebnis eine
neue Skulptur, deren Stil sowohl dem byzantinisierenden und dem durch das lombardische und
emilianische Hinterland bedingten Stile als auch dem direkten Einfluß der Toskana fernesteht.
Durch den Assimilationsprozeß von drei Jahrzehnten ist eine echt venezianische Kunst ent-
standen, zugleich aber auch ein Ubergangsstadium zu jenen Werken der fünfziger Jahre, die an
den Werkstattnamen Andreolos de Sanctis geknüpft sind.

Das Hauptwerk dieser Periode liegt außerhalb der Stadt Venedig: es ist das Portal von-
S. Lorenzo in Vicenza, dessen Skulpturen das typischeste Beispiel der vierziger Jahre bilden

Fig. 70. Grabmal des Rainaldus della Torre.
Aquilcja, Basilika.

(Figg. 72 u. 73). Die architektonische Struktur dieses Portales knüpft an die romanisch-gotische
Baukunst Oberitaliens an. Die abwechselnd glatten und spiralförmig gedrehten Wulste, den skulp-
turell verzierten Architrav und die Lunettengruppe finden wir schon an Werken des XII. Jahr-
hunderts. Mustergebend waren in unserem Falle die Portale von Ferrara, Verona, des Baptisteriums
von Parma oder der Kathedrale von Borgo San Donnino. Wie an diesen frühen Bauten, kehren
auch hier die säulentragenden Löwen wieder: sicher etwas Befremdendes an einem Werke, das um
die Mitte des XIV. Jahrhunderts entstanden ist. Das Portal von S. Lorenzo ist aber, was seine
Architektur anbelangt, nicht der einzige Repräsentant eines Weiterklingens von anderorts längst
überwundenen Stilformen. Das Portal der Kathedrale von Como, am Ende des XIV. Jahr-
hunderts entstanden, zeigt im Grunde noch dieselbe architektonische Disposition; desgleichen auch
die Portale zweier wenig bekannten, am Fuße der Alpen gelegenen Kirchen der Städte Gemona
und Venzone aus dem Ende des XIII. und dem Anfang des XIV. Jahrhunderts.1

1 Abbildungen in G. Bragato, Da Gemona a Venzone in «Italia artistica» LXX (Bergamo 1 g 13) und in meinem Auf-
satze «Die Kanzel des Domes zu Grado»: Kunst und Kunsthandwerk, Wien 1914, S. 503.
 
Annotationen