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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

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I. Theil: Abhandlungen
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Planiscig, Leo: Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0129
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Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert.

I 2 I

Zutat ist das zu Füßen des Toten gestellte Stadtmodell von Padua, in dessen Mitte der alte «Pa-
lazzo della Ragione» sich erhebt.

Betrachtet man den toskanischen Einfluß als eine am Anfange des XIV. Jahrhunderts all-
gemein in Italien sich verbreitende Welle, so muß zugegeben werden, daß die venezianischen
Länder jene gewesen sind, wo dieser nach sei-
nem Eindringen am ehesten umgewertet wurde,
ein Zeichen, daß die autochthone Kunst stark
genug war, um nicht gänzlich von den toska-
nischen Neuerungen absorbiert zu werden. Der
toskanische Einfluß war aber nicht ein vorüber-
gehendes Phänomen, sondern für die Skulptur
Venedigs etwas Konstantes. Konstant bedeutet
aber nicht innerlich gleichwertig. Mit der Evo-
lution, die die Skulptur in der Toskana selbst
durchmachte, änderte sie auch den Gehalt ihrer
Ausstrahlungen. Wir konnten bis jetzt feststellen,
daß einerseits der Stil Nicolö Pisanos in römi-
scher oder vielleicht auch in römisch-florentini-
scher Übersetzung, andererseits der Stil Giovannis
in der sienesischen Verallgemeinerung auf vene-
zianischem Gebiete zur Wirkung gelangte. Inzwi-
schen hatte sich aber unter den Erben des pisa-
nischen Stils ein neues Zentrum, Florenz, mit
Andrea da Pontedera gebildet. Er und sein
Sohn Nino, beide den Namen Pisani als Er-
innerung an jene Kunststadt führend, von der
sie die Grundlagen ihres Könnens her hatten, sind
die Repräsentanten einer Ära in der toskanischen
Skulptur, die bereits weit von der Entwicklungs-
stufe des Giovanni Pisano absteht und durch
erneuerte Einflüsse, die teils autochthonen Cha-
rakters aus der Schwesterkunst, der Malerei, ent-
sprangen, teils von außen her, vom Herd des
neuen Stils, Frankreich, kamen, zu einer neuen
Phase führte. Abgesehen von zufälligen Einzel-
erscheinungen vollzieht sich ein ähnlicher Prozeß
auch auf venezianischem Boden.

Die zwei Grabdenkmäler der Carrara sind
eine notwendige Folge jener einheimischen Be-
strebungen und jener durch diese erreichten Ziele,
die an den Skulpturen vom S. Lorenzo-Portal
zu Vicenza festgestellt wurden. Ihr Stil zeigt, ich

möchte nicht sagen ein Zurückgreifen, sondern eher ein fortgesetztes Aufnehmen jener Ele-
mente, die wir am Grabmal des Castellano da Salomone und an jenem des B. Odorico als die sti-
listisch maßgebenden bezeichnet hatten, d. h. der toskanische Einschlag überwiegt gegenüber
jenen durch ihn geschaffenen neuen Werten, die für die Skulptur der vierziger Jahre ausschlag-
gebend gewesen sind. Letztere wurden aber durch das Erscheinen Andreolos aus dem weiteren
Entwicklungsgang der Skulptur nicht ausgeschieden. In dem neuen, von diesem Künstler und
von seiner Werkstatt geschaffenen Stil werden sie umgewertet neuerdings erscheinen. Und es

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Fig. 83. Hl. Johannes (1346).
Treviso, Museo Civico.
 
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