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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

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I. Theil: Abhandlungen
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Planiscig, Leo: Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0133
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Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert.

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seinen Ursprung in Oberitalien habe, wobei sie aber an die Werke der Campionesi dachten. In der
Skulptur der Lombardei wie auch in jener von Florenz stecken sicherlich viel mehr pisanische Ele-
mente als in den Werken der De Sanctis-Bottega. Bei Orcagna ist aber eine Trennung von den
alten Uberlieferungen deutlich bemerkbar und das durch diese Trennung erfolgte Neue weist manche
Berührungspunkte mit den Figuren der Carrara-Gräber auf. Man vergleiche die leuchtertragenden
Engel des Jacopo-Monumentes mit jenen auf beiden Säulen des Orcagna-Tabernakels; dann die
betenden Engel um das Paradebett Ubertinos — auf deren Verwandtschaft mit den Figuren der
Loggia dei Lanzi hier bereits hingewiesen wurde — mit ähnlichen Darstellungen am Friese um
den großen Bogen des Altars von Or San Michele. Es sind Beziehungen stilistischer Natur, die
nicht abgestritten werden
können, die aber anderer-
seits nicht zwingend genug
sind, um die Annahme eines
von den Carrara-Gräbern,
respektive von der venezia-
nischen Kunst ausgehenden
Einflusses mit voller Be-
stimmtheit zu rechtfertigen.
Trotz der zeitlichen Priori-
tät unserer Werke läßt sich
dieser Einfluß schwer in
ein richtiges Verhältnis brin-
gen. Es steht aber fest, daß
die Kunst der De Sanctis-
Werkstatt etwas Selb-
ständiges ist, von der
gleichzeitigen der Toskana
unabhängig, ein Pro-
dukt venezianischerEnt-
wicklung, die Synthese
alles dessen, was im Laufe
der ersten Jahrhunderthälfte
aufgenommen und verar-
beitet wurde.

Meyer, der das Bis-
caro-Dokument nicht kannte,
stellte die Carrara-Gräber

mit jenem des Dogen Marco Gornaro (f i36y) in SS. Giovanni e Paolo zu Venedig zusammen
und glaubte in dieser Gruppe eine Stilverwandtschaft mit den Werken der Brüder Dalle
Masegne zu finden.1 Heute ist der Irrtum Meyers evident: das Cornaro-Grabmal ist wenigstens
siebzehn Jahre jünger als die Carrara-Monumente und mehr als zwanzig Jahre älter als der große
Altar in S. Francesco zu Bologna, das früheste sichere Werk der Masegne. Trotzdem war aber
die Behauptung Meyers nicht willkürlich und unbedacht: stilistische Analogien führten ihn zu
seiner Gruppierung. Der deutliche Einfluß Nino Pisanos, der in den Figuren des Cornaro-Grab-
mals zutage tritt, nähert es in einem gewissen Sinne den paduanischen Skulpturen, freilich nur bei
einer allgemeinen, nicht das Detail berücksichtigenden Betrachtung; denn zwischen die Grabmäler
der Carrara und das des Cornaro fällt eine neue Welle des tokanisch-florentinischen Einflusses, die

35. Details vom Grabmal des Jacopo Carrara und des Enrico Scrovegni.
(Nach Moschetti.)

1 A. G. Meyer, Lomhardische Denkmäler, a. a. O., S. 86.
 
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