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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

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I. Theil: Abhandlungen
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Planiscig, Leo: Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0159
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Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert.

einanderfolge von Wasser, Mauern und Berglandschaft zu erwecken. Die einzelnen Figuren lenken
nicht die Aufmerksamkeit auf einen Punkt; es fehlt ein Mittelpunkt der Handlung, die Szene ist breit
geschildert und reich an Details; jeder Fi^ur wird die gleiche Bedeutung beigemessen. Die Kunst
der beiden Sienesen steht nicht isoliert in der Entwicklung: ihre Prinzipien sind mit größerer oder
minderer Intensität auch bei den späteren Giottisten erkennbar, soweit diese in Verbindung mit
der sienesischen Schule stehen. Auch die Skulptur wandert dieselben Wege (vgl. die elf Reliefs
mit Darstellungen aus der Legende der hl. Katharina in Sta. Chiara zu Neapel oder die
Reliefs der Kanzel derselben Kirche), die wir aber nur auf oberitalienischem Gebiete verfolgen
wollen.

Die Reliefs des Giovanni di Balduccio da Pisa an der Area des S. Pietro Martire
in Sant'Eustorgio zu Mailand1 verraten eine antiquierte Art der Auffassung, die sich mehr

Fig. 105. Devotionsrelief (1361).
Venedig, Seminario patriarcale.

der der Reliefs des S. Domenico-Sarkophags zu Bologna als der neuen sienesischen Interpretation
nähert, obwohl dieser Künstler sonst vieles Siena verdankt. Die Reliefs mit den Geschichten
der hl. drei Könige (Fig. 102) in derselben Kirche aus dem Jahre 1347 unterscheiden sich be-
reits vollkommen von der um acht Jahre älteren Area. Wunderlich, daß man auch sie dem
Giovanni di Balduccio zugeschrieben hat, obwohl in beiden Fällen der toskanische Einfluß Vor-
bedingung gewesen ist. Dieser Einfluß ist aber zweifacher Natur und gehört zwei aufeinander fol-
genden Stadien der toskanischen Skulptur an: an der Area des S. Pietro Martire der der rein pisani-
schen Kunst, etwa in der Art des Fra Guglielmo; an den Drei Königen-Reliefs der der neuen sienesi-

1 Die kleinen Reliefs am Sarkophag des Can Grande della Scala (f l32Q) in Verona können hier nicht mit jener Aus-
führlichkeit besprochen werden, die ihnen gebührt; denn sie sind nie einzeln Photographien worden und eine Untersuchung
an Ort und Stelle ist wegen ihrer Lage sehr erschwert. Diese kleinen Szenen, die Meyer, Die lomb. Denkmäler a. a. O., mit
den Sienesen Agostino und Agnolo in Verbindung bringt, gehören zu den ältesten Beispielen für die Wirkung von toskani-
schen Szenen erzählenden Inhalts in Oberitalien. Da sie vor Giovanni di Balduccio und vor der Verbreitung seines Stiles
entstanden sind, gewinnen sie für uns eine größere Bedeutung. Aus ihnen können wir entnehmen, wie rasch der toskani-
sche Stil, nachdem die Entwicklung der oberitalienischen Skulptur jenen Punkt erreicht hatte, in dem eine Rezeption möglich
war, hier Verbreitung fand.

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