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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

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I. Theil: Abhandlungen
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Planiscig, Leo: Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0168
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Leo Planiscig.

lässigt hat. Was zufällig erhalten blieb, an eminenter Stelle aufgestellt war und in der Literatur
von Cicognara an Erwähnung gefunden hatte, wurde berücksichtigt. Darunter mußten aber unbe-
kannte bedeutende, auch für die allgemeine Kunstentwicklung ausschlaggebende Werke leiden. Und
mancher fragte bei der Erwähnung venezianischer Trecentoskulptur erstaunt: «Gibt es denn über-
haupt eine solche?»

f) Tympanonrelief am Portal der Kirche Sant' Andrea alla Zirada zu Venedig
(Fig. 112). Gabelentz 1 versetzt dieses Relief, worauf Christus mit den Aposteln Petrus und Andreas
dargestellt ist, in die erste Hälfte des Trecento. Es handelt sich aber wohl um ein viel späteres
Werk. Trotz der rohen und primitiven Mache enthält es Einzelheiten — z. B. die Meeresland-
schaft —, die nicht vor den landschaftlich-erzählenden Szenen an den Sarkophagen des hl. Isidor

und des Dogen Dandolo in
S.Marco entstanden sein können.

Zu dieser Gruppe venezia-
nischer Skulpturen gehört auch
das Devotionsrelief aus dem Jahre
i36i im Seminario patriarcale.2
Ebenfalls im Seminario
patriarcale befindet sich ein
Votifrelief mit dem hl. An-
tonius Abbas und einigen
knienden Ordensbrüdern3
(Fig. u3). Es stammt aus dem
demolierten Kloster Sant' An-
tonio di Castello zu Venedig.
Fig. 114. Devotionsrelief. Moschini meint vielleicht die-

Venedig, Scuoia di s. Giorgio e Trifone. ses, wenn er von einem Relief

mit der Darstellung des hl. An-
tonius Abbas zwischen betenden Ordensbrüdern spricht, für dessen Entstehung er das Jahr 1355
angibt. Weder unser Relief ist aber datiert, noch gibt es im Seminario ein zweites, das diese Jah-
reszahl tragen würde. Immerhin ist es möglich, daß Moschini die Datierung noch am ursprüng-
lichen Aufstellungsort gelesen hätte; stilistisch würde sie zu diesem Werke passen. Ähnlichkeiten
bestehen mit dem Devotionsrelief der Scuoia di San Giovanni Evangelista. Nur die Komposi-
tion ist verschieden: wie an den Professorengräbern steht die Figur des Heiligen in der Mitte und
um sie herum gruppieren sich — ähnlich den Schülern — die Ordensbrüder. Der bärtige Kopf des
Antonius Abbas gehört, wenn auch entfernt, dem Kunstkreise des Filippo de Sanctis an.

Obwohl diese Ordensbrüderschafts- und Kongregationsreliefs gewöhnlich eine Handlung dar-
stellen, dürfen sie nicht der Gruppe mit den erzählenden Szenen angegliedert werden; sie bewahren
ihren repräsentativen Charakter, ähnlich den Darstellungen von thronenden Madonnen, um die
Heiligenfiguren stehen, oder den Verkündigungszenen an den Ecken von Sarkophagen. Außer der
Gruppe von Reliefs, die im Zusammenhang mit den Scuole stehen, also etwas Offizielles, an die
Tradition Gebundenes darstellen, kommen die hier besprochenen Werke für die Entwicklung der
venezianischen Trecentoskulptur nicht in Betracht; nur zeitlich laufen sie mit ihr parallel.4

1 Gabelentz a. a. 0., S. 217.

2 Vgl. die Kopfbehandlung des Titularheiligen, die jener des hl. Christopherus an der Scuoia dclla Caritä entspricht.

3 Guida etc. attravesso il Sem. patr. a. a. O., p. 99, Nr. i3.

4 Ein Devotionsrelief über der Tür zur Scuoia di Sto. Stefano zeigt in der Mitte den Titularheiligen mit der Martyrer-
palme. Zu seinen Füßen knien die Mitglieder der Scuoia. Zweite Hälfte des Trecento. — Derartige Darstellungen werden sehr
häufig in den Kirchenbüchern der Scuole erwähnt.
 
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