Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert.
I73
händige Werke von nachgeahmten und beein-
flußten zu unterscheiden, zumal da es sich um
Typen handelt, die, wie wir noch sehen werden,
in vielen Exemplaren mit größeren oder "kleine-
ren Varianten und verschiedenen Qualitätsgraden
recht häufig vorzukommen pflegen. Vor allem
mit seinen lieblichen Madonnen hatte Nino einen
Typus geschaffen, der sofort Nachahmung fand,
ja dessen Nachhall noch unter den Marmorari
des Quattrocento bis zu Laurana und den Gagini
hinauf wahrzunehmen ist.1 Den Einfluß des Stils
Ninos hat Venturi mit vollem Rechte bereits an
den Figuren des sogenannten Pepoli-Sarkophags
in Bologna festgestellt. Er ist aber noch an
einer ganzen Reihe anderer oberitalienischen Werke
nachweisbar, so z. B. an der Madonna am Pro-
naos der Kathedrale in Cremona, die von
Venturi2 unverständlicherweise dem Giovanni di
Balduccio zugeschrieben wird, mit dem sie nicht
das geringste zu tun hat, es sei denn, daß eine
gemeinsame toskanische Basis dieses Werk
mit dem für Giovanni di Balduccio gesicherten Al-
tar in Sant' Eustorgio zu Mailand verbindet; oder
an der etwas rohen, der Formensprache nach aber
zu Ninos Kreis gehörigen Madonnenfigur im
Museo dell'Opera zu Arezzo;3 endlich, um
in Florenz selbst ein Beispiel anzugeben, an der
von Alberto Arnoldi 1359 ausgeführten Ma-
donna am Altar vom Bigallo.4 Neben Nino
stehen Tommaso Pisano und Cellino di Nese
auf derselben Kunststufe. Zwei Jahrzehnte lang
war ihre Kunst in Florenz und in der Toskana
überhaupt die führende. Einzelne Elemente da-
von drangen auch in Oberitalien ein, wie einst
die Kunst der Sienesen hier eingedrungen war,
festen Fuß gefaßt und neue Entwicklungsmög-
lichkeiten gefunden hatte.
Nach Venturi wären nun die aufgezählten
Figuren des Cornaro - Monumentes eigenhändige
Werke Ninos. Tatsächlich entspricht die Madonna
seinem Stile. Den stilistischen Vergleich aber, den
eingehend durchzuführen Venturi unterlassen hat,
wollen wir hier nachtragen. Venturi führt als
Fig. 127. Adam und Eva.
Venedig, üogcnpalast.
1 Vgl. die Madonna della Catena in Sciacca bei W. Rolfs, Die erste sizilianische Madonna des Franz Laurana: Zeit-
schrift für bildende Kunst 1906, S. 10.3 f. Siehe auch die Madonnen von gleichem Typus in Noto, in S. Francesco und im
Dom zu Palermo, im Museum von Syrakus usw. Vgl. F. Burger, Francesco Laurana, eine Studie zur italienischen Quattro-
centoskulptur, Straßburg 1907.
2 Venturi a. a. O. IV, p. 562 f. 3 Abb. bei Venturi a. a. O., p. 647, Abb. 575.
4 Abb. bei Venturi a. a. O. IV, p. 685, Abb. 563. — Diesem Kreise gehört auch die Tiburtinische Sybille an der
Nordseite des Campanile zu Florenz an; vgl. Rathe a. a. O , Abb. 14.
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händige Werke von nachgeahmten und beein-
flußten zu unterscheiden, zumal da es sich um
Typen handelt, die, wie wir noch sehen werden,
in vielen Exemplaren mit größeren oder "kleine-
ren Varianten und verschiedenen Qualitätsgraden
recht häufig vorzukommen pflegen. Vor allem
mit seinen lieblichen Madonnen hatte Nino einen
Typus geschaffen, der sofort Nachahmung fand,
ja dessen Nachhall noch unter den Marmorari
des Quattrocento bis zu Laurana und den Gagini
hinauf wahrzunehmen ist.1 Den Einfluß des Stils
Ninos hat Venturi mit vollem Rechte bereits an
den Figuren des sogenannten Pepoli-Sarkophags
in Bologna festgestellt. Er ist aber noch an
einer ganzen Reihe anderer oberitalienischen Werke
nachweisbar, so z. B. an der Madonna am Pro-
naos der Kathedrale in Cremona, die von
Venturi2 unverständlicherweise dem Giovanni di
Balduccio zugeschrieben wird, mit dem sie nicht
das geringste zu tun hat, es sei denn, daß eine
gemeinsame toskanische Basis dieses Werk
mit dem für Giovanni di Balduccio gesicherten Al-
tar in Sant' Eustorgio zu Mailand verbindet; oder
an der etwas rohen, der Formensprache nach aber
zu Ninos Kreis gehörigen Madonnenfigur im
Museo dell'Opera zu Arezzo;3 endlich, um
in Florenz selbst ein Beispiel anzugeben, an der
von Alberto Arnoldi 1359 ausgeführten Ma-
donna am Altar vom Bigallo.4 Neben Nino
stehen Tommaso Pisano und Cellino di Nese
auf derselben Kunststufe. Zwei Jahrzehnte lang
war ihre Kunst in Florenz und in der Toskana
überhaupt die führende. Einzelne Elemente da-
von drangen auch in Oberitalien ein, wie einst
die Kunst der Sienesen hier eingedrungen war,
festen Fuß gefaßt und neue Entwicklungsmög-
lichkeiten gefunden hatte.
Nach Venturi wären nun die aufgezählten
Figuren des Cornaro - Monumentes eigenhändige
Werke Ninos. Tatsächlich entspricht die Madonna
seinem Stile. Den stilistischen Vergleich aber, den
eingehend durchzuführen Venturi unterlassen hat,
wollen wir hier nachtragen. Venturi führt als
Fig. 127. Adam und Eva.
Venedig, üogcnpalast.
1 Vgl. die Madonna della Catena in Sciacca bei W. Rolfs, Die erste sizilianische Madonna des Franz Laurana: Zeit-
schrift für bildende Kunst 1906, S. 10.3 f. Siehe auch die Madonnen von gleichem Typus in Noto, in S. Francesco und im
Dom zu Palermo, im Museum von Syrakus usw. Vgl. F. Burger, Francesco Laurana, eine Studie zur italienischen Quattro-
centoskulptur, Straßburg 1907.
2 Venturi a. a. O. IV, p. 562 f. 3 Abb. bei Venturi a. a. O., p. 647, Abb. 575.
4 Abb. bei Venturi a. a. O. IV, p. 685, Abb. 563. — Diesem Kreise gehört auch die Tiburtinische Sybille an der
Nordseite des Campanile zu Florenz an; vgl. Rathe a. a. O , Abb. 14.