Hans Rottenhammer.
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3. Die großen Bilder.
Gegenüber dem reichen Material, das uns zur Beurteilung der Feinmalerei unseres Meisters
zur Verfügung stand, ist die Zahl der großen Leinwandgemälde aus der italienischen Periode ver-
schwindend klein. Das Altarbild mit der Verkündigung in S. ßartolomeo befindet sich dabei
in einem solch schlechten Zustande, daß es kaum einen Rückschluß auf die Leistungsfähigkeit des
Autors gestattet. Das Kolorit ist hell, die Ausführung sehr flüchtig. Die Komposition bewegt sich
ganz im Rahmen des Herkömmlichen, stimmt aber mit den anderen gleichnamigen Darstellun-
gen Rottenhammers nicht
überein.1 Doch ist wenig-
stens ein großes Lein-
wandbild aus Venedig in
gutem Zustande erhalten,
nämlich die durch die
Signatur und die Jahres-
zahl i6o3 beglaubigte,
gegen vier Meter große
Darstellung des Par-
nasses mit den Musen
in Wiener Privatbesitz
(Taf. XXXIV), auf die
zuerst Frimmel aufmerk-
sam gemacht hat,2 ein
Werk, das alle späteren
Leinwandbilder Rotten-
hammers an Freiheit der
Vortragsweise, Wärme
und Einheitlichkeit des
Kolorits weit übertrifft.
Daß dieser das Zeug be-
saß, auch in großem Stil
zu komponieren, ließ sich
schon aus manchen sei-
ner Kabinettsbilder her-
ausfühlen; dennoch ist
man überrascht, hier ein
mit breiten, nichts Klein-
liches verratenden Pinsel-
strichen gemaltes, groß-
zügig empfundenes Dekorationsstück zu sehen, dessen Farbengebung mit der Buntheit seiner Kupfer-
bilder nur wenig Verwandtschaft hat. Ein echt venezianischer warmer, goldener Ton herrscht vor,
rötlich warm ist das Inkarnat der vielen Frauenkörper, vorwiegend rote Töne zeigen neben vio-
letten, blaugrauen und gelblichen auch die hell gehaltenen Gewänder. Die dunklen Waldpartien,
die in hellblauen Dunst gehüllte weite Landschaft, aus der ein Fluß mit seinen Burgen hervor-
leuchtet, verleihen dem Ganzen eine romantische Stimmung. Links vorne erhebt sich die dunkle
Silhouette eines barocken Brunnens, der Kastalische Quell, hinter dem sich nach der Mitte zu die
musizierenden Musen um ein Klavier gelagert haben; Minerva steht mit Helm und Speer daneben.
Fig. 22.
Rottenhammer, Frauenkopf, Zeichnung.
Wien, Albertina.
Siehe Yerz. I, Nr. 7 u. 51; Verz. V, Nr. 22 u. 43.
Blätter für Gemäldekunde I (1905), S. 150; VII, S. 29.
43*
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3. Die großen Bilder.
Gegenüber dem reichen Material, das uns zur Beurteilung der Feinmalerei unseres Meisters
zur Verfügung stand, ist die Zahl der großen Leinwandgemälde aus der italienischen Periode ver-
schwindend klein. Das Altarbild mit der Verkündigung in S. ßartolomeo befindet sich dabei
in einem solch schlechten Zustande, daß es kaum einen Rückschluß auf die Leistungsfähigkeit des
Autors gestattet. Das Kolorit ist hell, die Ausführung sehr flüchtig. Die Komposition bewegt sich
ganz im Rahmen des Herkömmlichen, stimmt aber mit den anderen gleichnamigen Darstellun-
gen Rottenhammers nicht
überein.1 Doch ist wenig-
stens ein großes Lein-
wandbild aus Venedig in
gutem Zustande erhalten,
nämlich die durch die
Signatur und die Jahres-
zahl i6o3 beglaubigte,
gegen vier Meter große
Darstellung des Par-
nasses mit den Musen
in Wiener Privatbesitz
(Taf. XXXIV), auf die
zuerst Frimmel aufmerk-
sam gemacht hat,2 ein
Werk, das alle späteren
Leinwandbilder Rotten-
hammers an Freiheit der
Vortragsweise, Wärme
und Einheitlichkeit des
Kolorits weit übertrifft.
Daß dieser das Zeug be-
saß, auch in großem Stil
zu komponieren, ließ sich
schon aus manchen sei-
ner Kabinettsbilder her-
ausfühlen; dennoch ist
man überrascht, hier ein
mit breiten, nichts Klein-
liches verratenden Pinsel-
strichen gemaltes, groß-
zügig empfundenes Dekorationsstück zu sehen, dessen Farbengebung mit der Buntheit seiner Kupfer-
bilder nur wenig Verwandtschaft hat. Ein echt venezianischer warmer, goldener Ton herrscht vor,
rötlich warm ist das Inkarnat der vielen Frauenkörper, vorwiegend rote Töne zeigen neben vio-
letten, blaugrauen und gelblichen auch die hell gehaltenen Gewänder. Die dunklen Waldpartien,
die in hellblauen Dunst gehüllte weite Landschaft, aus der ein Fluß mit seinen Burgen hervor-
leuchtet, verleihen dem Ganzen eine romantische Stimmung. Links vorne erhebt sich die dunkle
Silhouette eines barocken Brunnens, der Kastalische Quell, hinter dem sich nach der Mitte zu die
musizierenden Musen um ein Klavier gelagert haben; Minerva steht mit Helm und Speer daneben.
Fig. 22.
Rottenhammer, Frauenkopf, Zeichnung.
Wien, Albertina.
Siehe Yerz. I, Nr. 7 u. 51; Verz. V, Nr. 22 u. 43.
Blätter für Gemäldekunde I (1905), S. 150; VII, S. 29.
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