Die niederländische Landschaftsmalerei von Patinir bis Brucgel.
I 2 7
daß die Landschaft sämtlicher Gemälde des Meisters der weiblichen Halbfiguren von anderer Hand
hinzugemalt wurde. Die Unmöglichkeit der Urheberschaft Patinirs beweist, abgesehen von der
stilistischen Verschiedenheit, der Umstand, daß auf diesen Gemälden auch'die kleinsten Figürcben
von dem anonymen Meister gemalt sind, während auf Patinirs Berliner Ruhe auf der Flucht und
auf seinem Antoniusbilde im Prado nur die Hauptfiguren einem fremden Künstler, die kleinen
Nebenfiguren aber Patinir selbst angehören. Nichts aber widerspricht der Annahme, diese genannten
Landschaften als Werke des Meisters der weiblichen Halbfiguren anzusehen.
Der Meister der weiblichen Halbfiguren, dessen Hauptwerke in die Zeit von 1525—1540 und
darüber hinaus fallen dürften, übernahm die perspektivischen Errungenschaften der reifen Werke
Fig. (3. Jan de Cock, Der heilige Christophorus.
München, Sammlung liissing.
Patinirs. Sein Vortrag aber steht der zeichnerisch linearen Weise der mittleren Periode seines
Vorbildes näher als dessen malerischem Spätstil. Die Sorgfalt in der Wiedergabe des Details, der
Sinn für das Stoffliche, für die charakteristische Wiedergabe der Oberfläche ist ihm nur in be-
schränktem Maße eigen. Die Erfindungsarmut, die die Anmut seiner Figurenbilder bald so steril
erscheinen läßt, offenbart sich bei genauerem Zusehen auch in seinen Landschaften. Bezeichnend
ist besonders eine Einzelheit. Es gibt kaum ein im Freien spielendes Gemälde seines Pinsels, bei
dem der Himmel nicht mit einer Schar fliegender Vögel belebt wäre. Dieses von Patinir nur
äußerst selten und äußerst spärlich angewandte Motiv ist den niederländischen Landschaftsbildern
aus dem zweiten Viertel des XVI. Jahrhunderts häufig eigen und scheint deutschen und nieder-
ländischen Holzschnitten der Zeit entnommen zu sein.
XXXIV
19
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daß die Landschaft sämtlicher Gemälde des Meisters der weiblichen Halbfiguren von anderer Hand
hinzugemalt wurde. Die Unmöglichkeit der Urheberschaft Patinirs beweist, abgesehen von der
stilistischen Verschiedenheit, der Umstand, daß auf diesen Gemälden auch'die kleinsten Figürcben
von dem anonymen Meister gemalt sind, während auf Patinirs Berliner Ruhe auf der Flucht und
auf seinem Antoniusbilde im Prado nur die Hauptfiguren einem fremden Künstler, die kleinen
Nebenfiguren aber Patinir selbst angehören. Nichts aber widerspricht der Annahme, diese genannten
Landschaften als Werke des Meisters der weiblichen Halbfiguren anzusehen.
Der Meister der weiblichen Halbfiguren, dessen Hauptwerke in die Zeit von 1525—1540 und
darüber hinaus fallen dürften, übernahm die perspektivischen Errungenschaften der reifen Werke
Fig. (3. Jan de Cock, Der heilige Christophorus.
München, Sammlung liissing.
Patinirs. Sein Vortrag aber steht der zeichnerisch linearen Weise der mittleren Periode seines
Vorbildes näher als dessen malerischem Spätstil. Die Sorgfalt in der Wiedergabe des Details, der
Sinn für das Stoffliche, für die charakteristische Wiedergabe der Oberfläche ist ihm nur in be-
schränktem Maße eigen. Die Erfindungsarmut, die die Anmut seiner Figurenbilder bald so steril
erscheinen läßt, offenbart sich bei genauerem Zusehen auch in seinen Landschaften. Bezeichnend
ist besonders eine Einzelheit. Es gibt kaum ein im Freien spielendes Gemälde seines Pinsels, bei
dem der Himmel nicht mit einer Schar fliegender Vögel belebt wäre. Dieses von Patinir nur
äußerst selten und äußerst spärlich angewandte Motiv ist den niederländischen Landschaftsbildern
aus dem zweiten Viertel des XVI. Jahrhunderts häufig eigen und scheint deutschen und nieder-
ländischen Holzschnitten der Zeit entnommen zu sein.
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